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Bistum Görlitz

Märchenabend für Erwachsene

Benefizveranstaltung für den Hospizdienst der Cottbuser Malteser

Erzählerin mit Leib und Seele: Monika Boguslawski lässt Märchen lebendig werden.

Cottbus -Was für die meisten anfangs mit Neugier und Erstaunen verbunden war, wurde am Ende ein ganz besonderes Erlebnis. So wie an diesem Abend, zu dem die Cottbuser Malteser eingeladen hatten, hatte mancher ein Märchen noch nie gehört.

Monika Boguslawski sitzt auf einem Hocker, strahlt Ruhe aus. Mit großen, freundlich bis spitzbübisch blickenden Augen fängt sie ihre Zuhörer ein. Wirft ihnen aus leeren Händen imaginäre goldene Äpfel zu. Rund 80 Zuhörer zwischen acht und 80 Jahren sind zu diesem "Märchenabend für Erwachsene" nach Cottbus gekommen.

Monika Boguslawski zieht die Anwesenden in ihren Bann. Sie lebt in den Märchen, ist selbst Handelnde, Leidende und endlich Siegende. Vor ihr stehen auf glänzenden, in vielen Farben schillernden Tüchern bunte Kerzen, deren flackerndes Licht sich in den Augen der Zuhörer widerspiegelt.

Die Erzählerin beginnt mit einem Märchen der Gebrüder Grimm. Der Titel wird nicht genannt. Frau Boguslawski erzählt vom Müllerburschen, der seinen Sohn vor dessen Geburt einer Nixe verspricht. Als verheirateter junger Jägersmann gerät der Sohn in das Reich eben dieser Nixe. Nach Erfüllung mancherlei langwieriger Aufgaben kann die Frau des Jägersmanns ihren geliebten Mann endlich wieder in die Arme schließen konnte.

In der freien Erzählweise benutzt die diplomierte und anerkannte Märchenerzählerin immer wieder die den Märchen eigene blumenreiche, altdeutsche Sprache. Alte Redewendungen, die eine ganz bestimmte Situation beschreiben und aus dem heutigen Sprachgebrauch fast verschwunden sind, bekommen Inhalt. Sparsame Gesten, verbunden mit gekonnter Hebung und Senkung der Stimme und Lautstärke bringen den Sieg des Guten, der Liebe über das Böse, erst richtig zum Tragen. Man kann die berühmte Stecknadel fallen hören, während Monika Boguslawski die Anwesenden so verzaubert.

In einem russischen Märchen hat ein zaubernder Zar die Macht über alle Winkel der Erde, nur nicht über den Himmel. In einem chinesischen Märchen siegt die geduldige, mit viel Liebe verrichtete Arbeit des alten Töpfers Usma über den alles beherrschenden König.

"In sozialistischen Zeiten wurden in Märchenfilmen oder Theateraufführungen die Könige und Zaren meist als Trottel dargestellt. Das wird dem Wesen des Märchens nicht gerecht", erklärt die Erzählerin: "Könige und Zaren sind die Mächtigen, die Vollkommenen, das Maß der Dinge."

Märchen sind keine Kinder- Grusel-Geschichten, weiß Frau Boguslawski am Rande der Erzählstunde aus ihrem Studium zu berichten. "Im Gegenteil: Volksmärchen waren mit ihrer ganzen Symbolsprache Geschichten für Erwachsene, die sie sich erst erzählten, wenn die Kinder bereits schliefen. Und es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Mädchen und Jungen hinter ihren Kammertüren den Erzählungen der Alten lauschten", berichtet Monika Boguslawski schmunzelnd.

In Wochenend- und vielen Einzelseminaren hat sie sich zur Märchenerzählerin von der "Europäischen Märchengesellschaft" ausbilden lassen. Diese Gesellschaft hat ihren Sitz in Rheine im Münsterland. Etwa 80 anerkannte Märchenerzählerinnen und -erzähler gibt es im gesamten deutschsprachigen Raum.

Der Eintritt für die Veranstaltung war frei. Jedoch konnte jeder an diesem Abend bei einer Türkollekte eine Spende für den Hospizdienst der Cottbuser Malteser abgeben. Dabei kamen rund 200 Euro zusammen.

Familie Boguslawski lebt in Bottrop. Josef Boguslawski kam 1991 dienstlich als Helfer zum Aufbau einer Krankenkasse nach Cottbus. Dort fasste er in der Christusgemeinde Fuß und unterstützte nebenbei ehrenamtlich den Aufbau des Cottbuser Malteser Hilfsdienstes.

Seit die Familie wieder in der westfälischen Heimat lebt, unterstützen er und seine Frau durch derartige Veranstaltungen die Arbeit der Cottbuser Malteser Hospizgruppe noch weiterhin aus der Ferne.

Auf die abschließende Frage, ob sie die Märchen denn alle auswendig gelernt hätte, beantwortete die Erzählerin lächelnd: "Nein, nicht auswendig gelernt, innwendig!"

Klaus Schirmer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 44 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 31.10.2002

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