Erzbistum Berlin ein Sanierungsfall
75 Millionen Euro Schulden / McKinsey beauftragt / Personalabbau wahrscheinlich
Berlin (kna/nov) - So viel steht fest: Die Lage ist ernst. Über das genaue Ausmaß der Finanzkrise des Erzbistums Berlin (380 000 Katholiken) gibt es abweichende Darstellungen. "Erzbistum steht vor der Pleite" titelte der Berliner "Tagesspiegel" zuspitzend und schreckte nicht nur die kirchlichen Mitarbeiter auf. "Es ist noch Geld da", beruhigte Pressesprecher Andreas Herzig die aufkommenden Ängste. In diesem Jahr könne das Weihnachtsgeld wie vorgesehen ausgezahlt werden. Allerdings seien die Probleme von der Bistumsleitung "erkannt", fügte Herzig hinzu.
Abhilfe soll wie bereits in einigen anderen deutschen Bistümern die Unternehmensberatung McKinsey schaffen. Generalvikar Peter Wehr informierte am Montag die Mitarbeiter des Erzbischöflichen Ordinariates über die Planungen. Die bisherigen Sparmaßnahmen reichten nicht aus, um in Zukunft einen ausgeglichenen Haushalt zu gewährleisten. Dabei besteht bereits ein Einstellungsstopp, die Sachkosten und der Bauetat wurden gekürzt.
Dennoch gelang es bisher nicht, die 1996 gesteckten Ziele zu erreichen. Damals hatte der Etat des Erzbistums eine Rekordhöhe von 335 Millionen Mark erreicht, der nur durch eine Kreditaufnahme von 70 Millionen Mark ausgeglichen werden konnte. Bereits 1995 musste erstmals ein Kredit von 20 Millionen Mark zur Deckung des Haushalts aufgenommen werden - ein für die katholische Kirche in Deutschland beispielloser Vorgang. In den folgenden Jahren konnte zwar die Neuverschuldung reduziert werden, doch das Ziel, 2001 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, wurde verfehlt. Der Etat des laufenden Jahres weist bei einem Volumen von 154,5 Millionen Euro ein Defizit von 3,6 Millionen Euro aus; allein für Zinsen und Tilgungen sind 9,7 Millionen Euro aufzubringen. Und dies bei einem Zuschuss der anderen Bistümer von 12 Millionen Euro. Auf 75 Millionen Euro sollen sich so die Berliner Schulden mittlerweile addiert haben.
Die große Ausgabensteigerung in den 90er Jahren ist vor allem Folge der Vereinigung Deutschlands. Die Mitarbeiter im Ostteil des Bistums waren plötzlich nach bundesdeutschem Angestelltentarif zu bezahlen, der Sanierungsbedarf in Gemeinden und Einrichtungen war immens. Aber auch die mittels komfortabler Zuschüsse zu Mauerzeiten in West-Berlin aufgebauten Überkapazitäten trugen zur Schieflage bei. Zugleich entwickelten sich die Einnahmen anders als vor zehn Jahren erwartet. Statt der von manchen prognostizierten gewaltigen Zunahme der Einwohnerzahl Berlins war ein Rückgang zu verzeichnen. Der Umzug von Bundestag und -regierung konnte zwar die Katholikenzahl aufbessern, doch nicht so stark wie erhofft. Für Katholiken mit Zweitwohnsitz in der Hauptstadt musste das Erzbistum sogar Steuermittel an die anderen Bistümer zurücküberweisen. Schmerzlich sind auch die Kürzungen des Landes Berlin bei den Zuschüssen zu den Privatschulen, Kindertagesstätten und bei der freien Wohlfahrtspflege. Der seit eineinhalb Jahren amtierende Generalvikar Wehr kündigte an, "die gesamten finanziellen Ressourcen und Verwaltungsstrukturen, alle Prozesse und Aufgabenbereiche" sollten jetzt auf den Prüfstand kommen. Betroffen sind nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Gemeindestrukturen sowie die Schulen, Caritas-Einrichtungen und vom Erzbistum getragene Unternehmen wie die Wohnungsbau-Gesellschaft "Petrus-Werk" und der Morus-Verlag. Dass es zu Entlassungen unter den mehr als 2500 Mitarbeitern kommt, ist nicht ausgeschlossen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 31.10.2002