Fast Glatze, Stiefel - kennt man ja, diese Typen …
Wie Vorurteile das Leben belasten
Spielplätze sind eine schöne Angelegenheit. Eltern sitzen auf Bänken und sonnen sich. Die Kleinen toben herum, rutschen, klettern, matschen in der Sandkastenpampe. Alle sind glücklich. Neulich war ich mit meiner Tochter auf so einem Spielplatz. Es war fast wie immer. Nur, auf der Bank der Eltern saß ein Typ: Kurze Haare, fast Glatze, Springerstiefel, Militärhose, Bomberjacke. Kennt man ja, die Typen.
Das allein war schon wenig erquicklich, aber dann sah ich auf dem Spielplatz unter allen anderen Kindern ein Kind spielen, das fiel auf. Es hatte schwarze gekräuselte Locken und war dunkelhäutig. Das spielte schön mit all den anderen Kindern, denen es völlig wurscht war, ob ein Kind kleiner, größer, dicker oder dünner, heller oder dunkler war. Aber jetzt, schoss es mir durch den Kopf. Dieser Typ da auf der Bank, mit seinem typischen Outfit. Das geht doch nicht gut, was wird der machen. Wird er die Eltern blöde anmachen oder sich, noch schlimmer, am Kind vergreifen. Und was mach ich dann? Solche Leute haben doch meist recht wenig im Kopf und dafür umso mehr in Armen und Springerstiefeln.
Alles blieb ruhig. Der Typ blieb auf seiner Bank, die Kinder spielten und ich grübelte über Deeskalationstaktiken auf dem Spielplatz nach. So ging das eine ganze Weile. Fast idyllisch. Doch dann stand der Typ langsam auf, machte seine Bomberjacke zu und rief "Ronny, Ronny komm her, wir fahren nach Hause."
Und Ronny kam, er rutschte die Rutsche runter und mir blieb der Mund offen stehen. Ronny war das schwarze Kind, mit seinen Kraushaaren und der dunklen Haut. Ronny stieg auf sein Kinderrad, der kurzgeschorene Papa mit seinen Springerstiefeln auf ein größeres und beide radelten vergnügt davon. Ich blieb zurück, mit meinen ganzen fertigen Urteilen in der Schublade, froh über den Ausgang der Geschichte und positiv verunsichert. Dass mir als nächstes ein Ausspruch aus dem kleinen Prinzen einfiel, ist vielleicht kitschig, aber dazu stehe ich: Man sieht nur mit dem Herzen gut - das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Guido Erbrich, Bautzen