Gastbeitrag
Leben ist Suchen nach der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen
Robert Weidler (Referent der Jugendseelsorge im Bistum Erfurt) über den Weltjugendtag in Sydney:
Beeindruckende Erlebnisse, ein gewachsenes Gemeinschaftsgefühl, die phantastische Stimmung und Anregungen zum Nachdenken haben 87 junge Christen aus dem Bistum Erfurt im Weltjugendtagsgepäck mit nach Hause gebracht.Es ist etwa 20 Uhr an diesem Abend in Sydney. Hunderttausende Weltjugendtagspilger sind auf dem Gelände einer großen Pferderennbahn versammelt. Sie sind allerdings nur noch durch die Lichtpunkte der Kerzen wahrzunehmen, die sie in den Händen halten. Trotz der Menschenmasse herrscht eine eigentümliche Stille. In diesen Momenten verdichten sich Emotionen und spirituelles Empfinden so sehr, dass die noch vor kurzem spürbare Kälte kaum noch eine Rolle spielt. Mich selbst fesselt diese Atmosphäre, weil sie mich an ein anderes Erlebnis erinnert. Vor über 20 Jahren habe ich ebenfalls an einem Samstagabend die Exodusfeier im Rahmen des ostdeutschen Katholikentreffens mitgefeiert. Eine große Lichterprozession führte über eine Dresdner Elbbrücke, mitten durch die Sorgen und Nöte der damaligen Jugendlichen, die diese auf Plakate gemalt hatten. Dazu erklang die Litanei von der Gegenwart Gottes.
Warum fällt mir das jetzt ein? Vielleicht deshalb, weil ich hoffe, dass auch die jungen Christen, mit denen ich jetzt hier in Sydney bin, diese Atmosphäre für ihr weiteres Leben bewahren können. Mir selbst ist jene Nacht von Dresden immer wieder in Erinnerung gekommen. Erst heute kann ich abschätzen, welch eine Bedeutung sie für meinen späteren Glaubensweg hatte. Damals war es das erstmalige Erleben von so vielen Katholiken der ehemaligen DDR an einem Ort. Dies hat Kraft gegeben für ein Alltagsleben, in dem ich mich oft allein fühlte als bekennender Christ. Nun stehe ich auf einem Feld in Sydney, wo Jugendliche aus der ganzen Welt versammelt sind. Einmal einen solchen "Exodus" auf die andere Seite der Welt miterleben zu dürfen, hatte ich damals nicht zu träumen gewagt. Dafür ist ein Gefühl genau das gleiche wie damals: Ich bin als Christ nicht allein.
"Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein" (Apostelgeschichte 1,8) lautete das Motto des Weltjugendtages. Diese "Power", wie sie im Weltjugendtagslied immer wieder besungen wurde, konnte in Sydney an vielen Orten erlebt werden. Dabei war die Bandbreite sehr groß. Sie reichte von den Gottesdiensten über die Katechesen (unter anderem mit dem Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke) bis hin zu vielen Gesprächen und stillem Gebet. Aber auch die singenden und vor Freude jubelnden Jugendgruppen, die auf vielen Straßen nicht zu übersehen oder zu überhören waren, würde ich als erlebtes Wirken des Heiligen Geistes einordnen. Eine Einwohnerin erzählte Jugendbischof Franz-Josef Bode, dass sie noch nie so viele junge Menschen auf einem Haufen gesehen hätte, die so viel Freude ausgestrahlten.
Auch die Horizonterweiterung, die eine solche Reise bietet, gehört zum Weltjugendtag. So erlebten die Jugendlichen während der "Tage der Begegnung" in der Diözese Armidale (etwa 500 Kilometer nördlich von Sydney) auch vieles über die Situation der Menschen und der Kirche Australiens. Im Prinzip ist vieles ähnlich wie bei uns. Auch in Inverell, wo ein Teil unserer Gruppe bei Familien zu Gast war, bleiben viele Jugendliche der heimischen Pfarrgemeinde fern. Eine kontinuierliche Jugendarbeit ist somit kaum möglich, auch weil die jungen Menschen eher in den Großstädten einen Ausbildungs- oder Studienplatz suchen. Ein paar kleine kulturelle Unterschiede gibt es aber dennoch. Das Frühstück wird beispielsweise oft warm (Schinken, Würstchen und Ei) serviert, die Rugby-Ergebnisse sind interessanter als die vom Fußball und in der Öffentlichkeit ist einfach alles viel sauberer als bei uns.
Was wird den jungen Christen noch in Erinnerung bleiben? Sicherlich die gewachsene Gemeinschaft und neue Freundschaften innerhalb unserer Bistumsgruppe. Vermutlich auch die Begegnungen mit dem Papst. Auch die Thüringer reihten sich ein in die Wellen des Jubels und der Begeisterung und versuchten ein schönes Erinnerungsfoto zu erhaschen. Aber sie hörten auch genau zu, was Benedikt XVI. ihnen mit auf den Weg gab. "Das Leben ist nicht bloß eine Abfolge von Ereignissen oder Erfahrungen, so hilfreich viele von ihnen auch sind. Es ist ein Suchen nach der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen."