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Mission in der Diskussion

Erfurter Fakultät beendet Ringvorlesung zum Thema Mission

Erfurt. "Mission - Konzepte und Praxis der Katholischen Kirche in Geschichte und Gegenwart" - so war eine Reihe von elf Vorlesungen überschrieben, die seit April an der Theologischen Fakultät in Erfurt stattfanden.
Hatten sich die Referenten bei den Vorträgen in den zurückliegenden Wochen vornehmlich aus katholischer Perspektive mit dem Thema "Mission - Konzepte und Praxis der Katholischen Kirche in Geschichte und Gegenwart" auseinandergesetzt, sollte die abschließende Podiumsdiskussion nochmals eine Weitung der Sicht ermöglichen: Mit Professor Vasilios N. Makrides von der Philosophischen Fakultät saß deshalb ein Vertreter der orthodoxen Christen im Podium, mit dem Islamwissenschaftler Jamal Malik von derselben Fakultät ein muslimischer Vertreter. Wolfgang Nossen, Vorsitzender der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, konnte krankheitshalber nicht teilnehmen.

Weil Mission in der Vergangenheit nicht selten mit Eroberung und Unterwerfung von Menschen und Völkern einherging, dürfe ein heutiges Verständnis von Mission nicht mit dem Rücken zu den anderen Religionen entwickelt werden, betonte Professor Jürgen Manemann, der an der Theologischen Fakultät Erfurt den Lehrstuhl für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie innehat. Ausgangspunkt für die christliche Mission sei der Auftrag Jesu, allen Menschen die Frohe Botschaft bekannt zu machen, da sie allen gilt. Was das trotz der Aussagen des Zweiten Vaticanums in der Kirchenkonstitution "Lumen gentium" und dem Missionsdekret "Ad gentes" für das Verhältnis der Kirche zu den Menschen außerhalb der Kirche bedeutet, ist immer noch verschwommen, wenn undifferenziert gesagt wird, sie könnten nicht gerettet werden.

Mission gehört wesentlich zum Christsein

Für Vasilios N. Makrides, den Vertreter der orthodoxen Kirchen, gehört Mission trotz aller auch negativen Verquickungen in der Geschichte wesentlich zum Christsein dazu. Er verwies allerdings auf Missionierungsversuche zwischen christlichen Konfessionen, die zu großen Spannungen führten.

Der Islamwissenschaftler Jamal Malik hingegen äußerte sein "Unbehagen". Wenn die Kirche sich um eine andere Praxis von Mission bemühe als die in der Verbindung mit Macht und Gewalt, sei dies für sie eine große Herausforderung, ebenso für Menschen, die unter ihrer früheren Praxis gelitten hätten. Am meisten verwundere ihn, dass mit dem Forschungsthema Minderheit, Migration und Mission die Situation der Christen in der Mitte Europas beschrieben werden sollte. Er habe zunächst geglaubt, die Stichworte bezögen sich auf die Situation der Muslime hierzulande. Erklärlich sei ihm dies nur als Projektion. Man formuliere die eigenen Probleme mit Begriffen, die zur Beschreibung der muslimischen Minderheit gehörten, so Malik.

Fundamentaltheologe Michael Gabel machte deutlich: "Verständnis und Stil von Mission bedürfen der permanenten Neu- und Selbstvergewisserung." Die Kirche selbst müsse unablässig prüfen, ob die Gestalt von Mission dem Bekenntnis, das sie verbreiten will, entspricht oder es möglicherweise konterkariert. Das ist der Fall, wenn Mission auf dem Rücken von Hegemonialbestrebungen erfolgt, aber auch dann, wenn sie sich in die Geste des höheren Kulturtransportes zu angeblich primitiven Völkern hüllt. Gabel hatte in der letzten der Vorlesungen herausgearbeitet, dass Mission dem Wesen Gottes entsprechen müsse. Für ihn wird dies in Mk 10,45 besonders deutlich, wo es heißt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben für viele, was das Missionsdekret "Ad gentes" ausdrücklich als "für alle" interpretiere.

Der Erfurter Dogmatiker Josef Freitag berichtete, wie stark sich das Christentum in Indien inkulturiert habe. So unterhielten Christen eine Vielzahl von Schulen, die sehr geschätzt würden und anerkannt seien. Dennoch werde das Christentum als etwas Fremdes angesehen und es gäbe auch Spannungen. Michael Gabel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die fremden Kulturen immer auch Rückwirkungen auf die Kirche haben und auch sie auf neue Weise prägen.

Zusammenhang von Mission und Gewalt

Diskutiert wurde auch die Frage, ob missionarische Religionen gewalttätiger sind als nichtmissionarische Religionen. Hier müsse man sehr differenzieren. Gewiss habe es in der Mission immer wieder Gewalt gegeben. Wie die Globalisierung zeige, gingen aber auch Kulturtransfer und Ausweitung der Wirtschaftsinteressen mit Gewalt einher. Und auch antireligiöse Weltanschauungen wie der Marxismus/Leninismus seien Völkern mit Gewalt aufgezwungen worden, erinnerte Philosoph Eberhard Tiefensee. Andererseits habe das Christentum phasenweise etwa in seiner frühen Zeit gar nicht die Möglichkeiten besessen, sich mit Macht anderen aufzudrängen.

Nachfragen gab es zur Äußerung von Jamal Malik, der Islam verstehe sich nicht als missionarisch. Missionarische Passagen im Koran gälten nur dem Polytheismus, Juden und Christen seien aber als Anhänger des Buches und deshalb als Schutzbefohlene ausgenommen.

In den nächsten Semestern soll es an der Theologischen Fakultät Erfurt weitere Vorlesungen auch zu den Schwerpunkten Migration und Minderheit geben.

Von Eckhard Pohl