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Engelsgesicht und Drachenflügel

Über den Engel aus der ersten Bank

Kaplan Marko Dutzschke aus Cottbus macht sich Gedanken über einen besonderen Engel: Den Engel in der ersten Bank in der Stiftskirche Neuzelle.

62 Sänger gastierten mit Siegfried Fietz in Großschönau und Görlitz.

Viele Menschen glauben an Engel. Und die gibt es inzwischen in allen Formen und Farben aus Glas oder Holz, aus Wachs oder Metall. Man kann sie als Kette um den Hals tragen oder im Auto auf die Armaturen kleben. Auch mein Bruder hat zur Freude meiner kleinen Neffen einen Schutzengel im Auto. Mit seinem lustigen Gesicht wackelt er bei jeder Berührung.

Man könnte sagen, die Liebe zu diesen himmlischen Boten hat Geschichte und ist bis heute ungebrochen. Keine barocke Kirche kommt ohne sie aus. Sie blicken von Altären herunter, sitzen auf hohen Wolken oder tragen die Attribute der Heiligen. Sie sind in Stuckdecken eingearbeitet oder aus Holz geschnitzt. In unserem Bistum Görlitz steht so eine Kirche in Neuzelle. Viele Christen kennen die alte Klosterkirche der Zisterzienser als Ziel der jährlichen Bistumswallfahrt. Und gerade hier sind Engel in jedem Winkel des Gotteshauses zu finden. Engel, die aus dem Rahmen fallen und etwas Besonderes darstellen, gehen da leicht unter. Erst durch den Hinweis bei einer Kirchenführung fiel mir ein ganz besonderer Engel auf.

Gewissermaßen war es der Engel aus der ersten Bank. Die kleine Puttendarstellung findet man an einer kunstvoll geschnitzten Kirchenbank, die auf der linken Seite vor dem ersten Seitenaltar aufgestellt ist. Der Engel ist über den Köpfen der Gläubigen in das Schnitzwerk eingearbeitet. Die Besonderheit liegt in der Darstellung der Flügel, von denen einer einen Drachenflügel darstellt. Das Engelsgesicht mit dem Drachenflügel hat eine tiefere Bedeutung für den Gläubigen. Der Engelsflügel steht für das Gute und der Drachenflügel für das Böse. Die unterschiedlichen Flügel entsprechen den unterschiedlichen Seiten, die jeder in sich trägt. Beides findet sich im Menschen - das Gute und das Böse.

Die allegorische Darstellung gibt dem Betrachter einen Hinweis darauf, wie die gute Seite die Oberhand gewinnen kann. Über der Putte ist eine prächtige goldene Muschel eingearbeitet, die auch damals schon als Pilgerzeichen verstanden wurde und auf einen besonderen Weg verweist. Eine kleine goldene Rose krönt die Kirchenbank und erklärt die Besonderheit des Weges: Es handelt sich um den Weg der Liebe. Nur auf diesem Weg kann das Böse im Menschen geringer werden und das Gute die Oberhand gewinnen.

Das hört sich leicht an, ist es aber nicht. Denn jeder neue Weg fordert einen Menschen heraus. So ist es auch mit dem Weg der Liebe. Die Herausforderung besteht darin, sein Leben einzusetzen. Damit weist der kleine Engel mit dem Drachenflügel auf den Weg Jesu hin, der sein Leben aus Liebe eingesetzt hat. Diesen Weg kann man nicht einfach nachgehen. Man muss ihn finden und jeden Tag neu mit Leben erfüllen. Schön, dass dieser kleine Engel mehr ist, als ein hübsches Gesicht mit Flügeln.

Kaplan Marko Dutzschke, Cottbus

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