Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Ein Halleluja bei bester Akustik

Pfarrer Ludger Kemming verbindet Seelsorge mit Denkmalschutz an der Straße der Romanik

Hamersleben. Die romanische Kirche in Hamersleben gehört zu den kostbarsten Gotteshäusern im Bistum. Seit vielen Jahren lebt hier der Priester Ludger Kemming. Auch als inzwischen pensionierter Pfarrer verbindet er am Ort die Seelsorge mit der Denkmalund Kulturpflege.

So abseits der großen Straßen Hamersleben auch liegt, Pfarrer Kemming führt jede Woche Besucher durch die romanische Kirche St. Pankratius.

Neulich war der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt da. Was denn das Besondere an der alten Stiftskirche in Hamersleben sei, hat er gefragt. Pfarrer Ludger Kemming weiß es: "Die Leute, die herkommen, haben das Gefühl, eine Entdeckung gemacht zu haben." Und damit hat er recht. Sein ramponiertes Stundenbuch und die Kirchenschlüssel an die linke Brust gedrückt steht Kemming in einer schattigen Ecke des Klosterinnenhofes. Gerade hat der 81-Jährige eine Hamburger Seniorengruppe auf Studienreise durch die romanische Kirche St. Pankratius geführt. Durch den Kreuzgang des ehemaligen Augustiner- Chorherrenstifts sind sie jetzt nach draußen gekommen, voll des Staunens.

Hinter ihnen liegen der eindrucksvolle Kirchenbau mit den romanischen Kapitellen und dem 17 Meter hohen barocken Hochaltar - und eine typische Führung des Ruheständlers Ludger Kemming voller Anekdoten über die fast 900-jährige Geschichte des Gotteshauses. Entdeckt haben die Besucher zum Beispiel, dass die Pilatus-Figur im Altar einen Turban trägt. "Dieser Pilatus sollte den Menschen von damals Angst machen", hat Kemming erklärt. "Denn der Altar wurde 1687 gebaut, kurz vorher standen die Türken vor den Toren Wiens."

Romanische Kapitelle und barocker Hochaltar


46 Jahre schon lebt Kemming Seite an Seite mit der Stiftskirche. Seit er als junger Vikar nach Hamersleben kam, setzt er sich nicht nur für seine Gemeinde ein, sondern auch für den Erhalt von deren Kirche. Dafür erhielt er die Silberne Halbkugel des Deutschen Preises für Denkmalschutz sowie den Romanikpreis für besondere Verdienste um die Straße der Romanik, an der auch die Stiftskirche St. Pankratius liegt.

Doch diese Auszeichnungen fassen lediglich zusammen, was Kemming nach außen hin erwirkt. Die innere Denkmalpflege, die Seelsorge, spielt bei seinen Führungen immer mit hinein. Er nimmt sich Zeit, äußert seine Gedanken über die Ökumene oder stimmt ein Osterhalleluja an, um auch die besondere Akustik der romanischen Kirche zu zeigen. Soviel er seinen Besuchern an Glaubenswissen und -gewissheit mitgibt, so viel lassen sie ihm auch da, nur eben in anderer Form. "Sie sehen, mir wird nie langweilig", sagt Pfarrer Kemming, "denn heutzutage kommen viel mehr Menschen hierher als früher."

Diese Woche hat er drei Anmeldungen von Reisegruppen, die durch die Stiftskirche geführt werden wollen. Die Einzelbesucher zählt er schon gar nicht mehr, und auch aus anderen Gemeinden kommen Gruppen häufig sonntags in die Messe. Regelmäßig finden Experten den Weg in den abgelegenen Ort im Bördekreis und bereichern Kemmings Wissensschatz um weitere Kostbarkeiten. "Seit ein paar Jahren wissen wir, dass hier im Kloster früher ein spätromanisches Skriptorium, eine Schreibstube, war", sagt Kemming. Eine israelische Professorin machte den Pfarrer auf ihre Entdeckung aufmerksam und bereiste die Welt, um Handschriften aus Hamersleben zu finden. In London und New York wurde sie fündig.

In einer Person Seelsorger und Denkmalpfleger


"Mich beeindruckt es sehr, wie Pfarrer Kemming diesen bedeutenden romanischen Bau so lange mitgeprägt hat", sagt Andreas Cante, Kunsthistoriker und Reiseleiter der Seniorengruppe aus Hamburg. "Ich habe schon viele Führungen miterlebt, aber die hier war etwas ganz Besonderes." Nachdem Kemming die Reisenden gen Norden verabschiedet hat - nicht ohne ein paar Postkarten zu verkaufen, Federn seiner Pfauen zu verschenken und sich für Spenden zu bedanken - , lässt er sich in seinem Büro in einen Sessel fallen. Die dicken Mauern halten den Raum im Ostflügel der ehemaligen Klosterklausur trotz der Hitze kühl. "Ich wünsche mir einfach, dass nach mir auch ein Ruheständler hier leben kann", sagt Pfarrer Kemming. "Einer, der sich auch um all das hier kümmert."

Von Katharina Handy

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps