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Ich "bibel" gerade

Horst Grund aus Görlitz schreibt das Buch der Bücher ab

Seit Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck mit beweglichen Metall- Lettern erfand, wurden auch Bibeln um ein Vielfaches schneller hergestellt und verbreitet, als es zuvor beim manuellen Abschreiben der Fall war. Horst Grund ist gerade dabei letzteres zu tun, zwei Drittel hat er geschafft.

Horst Grund in seinem Arbeitszimmer. Hier schreibt er jeden Tag ein Stück Bibel ab.

1943 im Sudetenland geboren, begann sein Leben, ähnlich wie stellenweise im Buch Hiob beschrieben. 1945 wurde die Familie, Eltern mit vier Kindern, aus der Heimat vertrieben. Sein Zwillingsbruder starb auf der Flucht. Zwei Jahre später starb die Mutter. Drei Jahre danach, der Siebenjährige saß auf dem Hänger eines Traktors, der sie vom Ährenfeld, auf dem sie "stoppeln" waren, zurückbringen sollte. Beim Kuppeln ruckte das Fahrzeug und der Junge fiel herunter. Sein rechtes Bein kam unter das Rad eines Hängers. Es war nicht mehr zu retten und musste amputiert werden. Im selben Krankenhaus, in dem Horst lag, starb einen halben Monat später sein Vater.

Im Heim habe ich das erste Mal Kirche gespürt


Horst Grund kommt ins thüringische Arnstadt, ins Kinderheim der Diakonie. Die Diakonissen und die Schönstattschwestern, welche die katholische Pfarrei betreuten, nahmen sich seiner an, besonders von Schwester Mathilde schwärmt Horst Grund heute noch. "Dort habe ich das erste Mal Kirche gespürt." 1958, erst als 14- Jähriger, ging er das erste Mal zur heiligen Kommunion und ließ sich "in die Kirche integrieren". Im Marienstift konnte er die Ausbildung zum Stenotypisten absolvieren. Das machte ihn, im VEB Automobilwerk in Eisenach, als er dem Bereichsleiter des Fahrwerkbaus assistierte, nahezu unersetzlich. Während andere Protokollanten die Protokolle erst Tage später fertig hatten, waren sie bei ihm kurz nach Ende der Sitzung bereits fertig gestellt. "Ein guter Facharbeiter ist würdig, Genosse zu werden." Der so schön verpackte Satz der Genossen wurde immer mehr zum Befehl. Das hat der Blitz-Stenotypist nicht mitgemacht. Er ging im November 1967 für ein halbes Jahr ins Görlitzer Katechetenseminar. Das war auch die Zeit, in der er die Bibel das erste Mal komplett, von Genesis bis zur Offenbarung des Johannes, durchgelesen hat.

Im Katechetenseminar lief der letzte von 30 Kursen, in den er einstieg. Danach sollte Horst Grund in der Erfurter Jugendarbeit tätig werden, in der Lohnbuchhaltung des Görlitzer St. Carolus-Krankenhauses wurde er offenbar dringender gebraucht, und so begann er 1968 dort seinen kirchlichen Dienst. In diesem Haus lernte er auch seine Frau Rosel kennen. Die derzeitige Bilanz: fünf Kinder und neun Enkel "und wir haben 36 Jahre zusammengehalten."

1983 begann er im Alten- und Pflegeheim in Mengelsdorf seinen Dienst. Nach der Wende wurden einige Berufsabschlüsse nicht anerkannt und so blieb Horst Grund nichts anderes übrig, als noch einmal ein Fernstudium zu absolvieren. Es folgte die Umfunktionierung des Mengelsdorfer Schlosses in eine Sozialtherapeutische Wohnstätte für psychischchronisch Kranke und der Verwaltungsleiter setzte sich 1997/98 wieder auf die Schulbank: sozialpsychiatrische Zusatzausbildung. "Seit 1995, das war purer Stress, das Bibellesen gehörte für mich zur Bewältigung dieses Stresses." Den Dienst in Mengelsdorf leistete er bis zu seiner Pensionierung, 2003. Dieses Jahr war gleichzeitig auch das offizielle Jahr der Bibel. In diesem Jahr las er sie dreimal durch. Die "schnellste Runde" dauerte nur 47 Tage, "da las ich aber intensiv"...

Trotz Behinderung auf die Gipfel der Hohen Tatra


Seine Behinderung überwindet er jeden Tag. "Ich habe in meinem Leben zehn Mal laufen lernen müssen. Trotz meiner Behinderung, es gab dabei nie Stillstand." Acht Gipfel der hohen Tatra, auf den sich Nicht-Behinderte nicht mehr hoch trauten, hat er teilweise mehrfach bestiegen und nennt es bescheiden "normale Hochgebirgstouristik". "Ich habe stets danach gestrebt, das zu kompensieren, was die Gesunden immer können und es war für mich ein Glücksumstand, wenn ich über mich hinaus gewachsen bin."

Das war auch am 24. August letzten Jahres nötig, "ich war an diesem Tag bei der letzten Seite der Bibel, in der achten Runde, als ich die Diagnose Krebs erhielt." Eigentlich wollte Horst Grund beim neunten Mal die Bibel abschreiben. Zu DDR-Zeiten hatte er das notgedrungenerweise schon mit Büchern aus dem "Westen" gemacht. Bei 321 Anschlägen in der Minute, erreicht auf mechanischen Maschinen, war das nicht das Problem. "Auf dem PC zu schreiben, ist dagegen ein Spaziergang." Trotz des Tiefschlags las er weiter und als er bei Jesaja ankam, sagte er sich: "Nein, das mache ich nicht. Ich drehe mich nicht zur Wand, jetzt schreibe ich die Bibel ab. Das ist jetzt meine Therapie." Am 22. Dezember begann Horst Grund mit dem Schreiben, derzeit ist er bei Jeremias im 36. Kapitel, bei 911 Bibelseiten, das sind bei ihm 1726 Computerseiten A4. "Zwischen Lesen und Schreiben, das sind Welten. Einmal schreiben und zweimal Korrektur lesen, da kann ich wörtlich die Bibel nachvollziehen." Täglich bis zu vier Stunden schreibt er an seiner Bibel, zwischendurch werden einige "Runden" mit seinem Fahrrad gedreht, das wetterunabhängig auf Ständern im selben Raum steht. Drei dicke A4 Mappen werden es pro Bibel insgesamt sein, fünf Exemplare werden ausgedruckt, für jedes Kind eines. "Das Kind, welches die meisten Tippfehler findet, bekommt eine Prämie." Dazu müssen die Kinder dieses Geschenk des Vaters zunächst lesen. Genau das will er erreichen. Seine eigenen guten Erfahrungen will er weitergeben "mit der Bibel leben, das ist ein Reifungsprozess. Zehn Mal habe ich die Bibel gelesen. Damit höre ich nicht auf. Wenn der liebe Gott mir die Zeit dazu gibt, dann wird weiter gelesen."

Von Raphael Schmidt

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