Kein Weg der Streicheleinheiten
Bei der Bistumswallfahrt stellte Bischof Joachim Reinelt Maria als Revolutionärin vor
Rosenthal. "Wie wäre es, wenn Politiker sich selbst als Knechte des Volkes ansähen, dem sie dienen, oder wenn in den Gemeinden nicht länger darum gerangelt würde, wer das größte Sagen hat?"
Maria habe gängiges Denken und Handeln auf den Kopf gestellt, machte Bischof Joachim Reinelt vergangenen Sonntagvormittag in seiner Predigt zur Rosenthaler Bistumswallfahrt deutlich. Sie habe sich selbst als "Magd des Herrn" bezeichnet, als sie von Gott gerufen wurde. Ihrem Weg des Evangeliums, der "kein Weg der Streicheleinheiten" sei, müssten auch heutige Christen konsequent folgen. Die oft gestellte Forderung, die Kirche solle mehr mitreden in der Welt, sei zwar berechtigt. Dabei müsse sie sich aber vor dem Streben nach Macht hüten. "Immer wenn die Kirche im Laufe der Geschichte diese Mächtigkeit hatte, ging es abwärts."
Der moderne Mensch neige dazu, die Welt von sich her zu denken. Die Mutter von Jesus habe sich hingegen in andere hineinversetzt und von ihnen her gedacht, als sie beispielsweise bei der Hochzeit von Kana feststellte, dass der Festgesellschaft der Wein fehlte. Für Christen von heute sei es unerlässlich, einen Blick für die Sehnsüchte und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu entwickeln und danach zu fragen, was ihnen fehle. Bischof Reinelt erinnerte an ein Wort von Papst Benedikt XVI.: "Man kann Christus nicht für sich allein haben." Er forderte die Wallfahrer in Rosenthal dazu auf, ihre Freude zu teilen, zu allererst mit den Leidenden in Pflegeheimen und Krankenhäusern, mit Menschen, die nicht mehr weiter wissen oder mit denen, die einfach mal jemanden brauchen, der Zeit für sie hat. Auch darin könne Maria, die ihre Freude mit Elisabeth teilte, ein Vorbild sein.
Die biblische Erzählung über die Hochzeit von Kana, bei der Jesus sechs Steinkrüge voller Wasser in Wein verwandelte, zog sich symbolisch durch den gesamten Wallfahrtstag. Ein großer Teil der Pilger hatte am Morgen den Wallfahrtsweg von sechs umliegenden Dörfern aus zu Fuß zurückgelegt. Die Steine, die sie unterwegs als Sinnbild für die Lasten ihres Lebens aufgelesen hatten, legten sie in einen der großen Krüge, die an der Altarinsel standen. Der Krug mit den Steinen steht nun im Kloster St. Marienstern. Die Zisterzienserinnen dort wollen für diese Anliegen besonders beten. Auch die anderen fünf Krüge haben nach der Wallfahrt einen neuen Platz gefunden: Der zweite Krug enthielt Bitten der Pilger - diese werden die Zisterzienserinnen im Kloster St. Marienthal im Gebet begleiten. Die Kollekte, die während des Gottesdienstes eingesammelt worden war, befand sich in einem weiteren Krug und wurde zusammen mit diesem nach Leipzig gebracht: als "Stein" für den Neubau der Propstei. Ein mit Wasser gefüllter Krug, der an die Taufe erinnerte, steht nun in Gera. Im Exerzitienhaus Hoheneichen findet man den ein Krug mit Rosen, der an das Sakrament der Versöhnung erinnert.
In Wechselburg, dem Ort der vierteljährlichen Jugendvespern, fand der sechste Krug seinen Platz. Er ist voller Erinnerungen an den Weltjugendtag in Australien. In der Wallfahrtsstunde am Nachmittag ließen drei Teilnehmer die Anwesenden an ihren Erfahrungen teilhaben.
Elisabeth Schwope aus Obercunnersdorf beispielsweise erzählte, dass sie ihren graubraunen kolumbianischen Pilgerhut nach einem tiefen Glaubensgespräch eingetauscht habe. Die in Australien erlebte Offenheit, über den Glauben, Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen, motiviere sie bis heute: "Ich habe mir vorgenommen, auch hier offener zu sein, Neues zu wagen und einfach mal ein Gespräch zu beginnen."