Der Papst, die Autofahrer und die Schweden
Nächstenliebe auf vier Rädern
Es wird eine Weile her sein, dass Papst Benedikt selbst hinter dem Steuer eines Autos saß. Außerdem ist er vor seiner Wahl zum Papst eher als Radfahrer und Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs in Erscheinung getreten. Sein VW Golf wurde vor einiger Zeit im Internet versteigert und wenn er jetzt das Papamobil nutzt, wird kaum die Gefahr von Raserei bestehen. Das hielt ihn nicht davon ab, in der vergangenen Woche einiges zur Verantwortung der Autofahrer zu sagen: Das Leben ist zu kostbar, als dass Menschen durch überhöhte Geschwindigkeit und mangelnde Vorsicht sterben oder zu Invaliden werden. Zum Autofahren gehört moralisches und ziviles Bewusstsein. Und da dieses Bewusstsein nicht vom Himmel fällt, gehören Verkehrsüberwachung und angemessene Strafen für Raser dazu. Papst Benedikt fand ein schönes Bild: Der Straßenverkehr ist ein Ort konkreter Nächstenliebe.
Nun glaube ich, dass viele - ein paar notorische Raser mal ausgenommen - diesen Sätzen zustimmen werden. Aber, die spannende Frage, heißt: Was kann dafür getan werden, dass die Straßen zu einem Ort tätiger Nächstenliebe werden? Hier habe ich in diesem Jahr "Bauklötzer" auf schwedischen Straßen gestaunt. Denn die protestantischen Skandinavier sind sehr rigoros, was die Sicherheit ihrer Verkehrswege betrifft. Wer aus unserem autovernarrten Deutschland nach Schweden kommt, merkt, mit 90 bis 110 Kilometer in der Stunde ist das Ziel auch gut zu erreichen. Meist erstaunlich schnell und deutlich stressfreier als in unseren Breiten. Geblitzt wird natürlich auch, aber nicht hinter verschlafenen Ecken, die Insider kennen und an die Radiosender melden, sondern meist auf langen Abschnitten. Jeder sieht das und weiß, wenn ich die nächsten paar Kilometer rase, muss ich zahlen. Also fahren alle ordentlich. Das ist zwar schlecht für die Kassen der Kommunen aber gut für die Senkung der Unfallzahlen. Vor Schulen gibt es immer Verkehrsberuhigungen und in den Innenstädten wird der Autoverkehr auf das Nötigste begrenzt. Wenn doch ein Unfall passiert, wird geschaut, ob an der Verkehrsführung etwas geändert werden muss. Denn im Mittelpunkt steht die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, ob Fußgänger, Autofahrer oder Elch.
Wenn ich daran denke, dass es beispielsweise in Bautzen nahezu unmöglich ist, vor einer Grundschule einen Fußgängerüberweg hinzubekommen, und viele Städte in unsinnigem Verkehrsaufkommen ersticken, wünsche ich mir ein wenig mehr katholischen Papst und protestantisches Schweden auf deutschen Straßen. Und, dass wir Autofahrer unsere Gefährte öfters stehenlassen. Aus Nächstenliebe, versteht sich. Übrigens, die protestantischen Schweden haben Papst Benedikt einen Volvo geschenkt; das sicherste Auto, das sie haben.
Guido Erbrich, Bautzen