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Knien, Thronen, Schwören

Magdeburg zeigt Ausstellung "Spektakel der Macht" über Rituale der Amtseinsetzung in Kirche und Welt

Magdeburg. Seit dem 21. September ist in Magdeburg die Ausstellung "Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800 -1800” zu sehen. Die Schau bietet auch vielfältige Einblicke in das kirchliche Leben früherer Jahrhunderte.

Amtseinführung eines Bischofs, Frankreich, Anfang 16. Jh. , Paris. Links: Dorothee Linnemann M.A. von der Universität Münster war an der Konzeption und Realisation der Ausstellung beteiligt.

Ob ein neuer Bischof eingeführt, ein Bundeskanzler vereidigt oder ein neuer Bürgermeister sein Amt übertragen bekommt - überall spielen Rituale, die Vollmacht und Macht verleihen und demonstrieren, eine wichtige Rolle. Wie sich diese Einsetzungen vollziehen und wie sehr sich die Rituale in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ähneln, zeigt - vor allem im Blick auf frühere Epochen - die Ausstellung "Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800 -1800". Die Schau ist seit 21. September im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg zu sehen.

"Rituale sagen nicht nur etwas aus, sie bewirken etwas. Zum Beispiel machen sie jemanden zum Kaiser, zum Bischof, zum Stadtrat oder zum Doktor." So heißt es am Beginn des Ausstellungsweges durch die insgesamt 15 Räume. Im ersten Teil der Schau werden parallel typische Situationen bei der Einsetzung von Kaiser, Bischof, Stadtrat und Rektor/Doktor anschaulich gemacht: Wahl, Prozession, Weihe/Krönung/Eid, Einkleidung, Übergabe von Insignien, Gottesdienst und Mahl. Die Rituale waren auf allen Ebenen der ständischen Gesellschaft ähnlich: bei Kaiserkrönungen des 17. und 18. Jahrhunderts wie bei Bischofsweihen des 10. bis 14. Jahrhunderts, bei Einsetzungen städtischer Räte wie bei der Einführung von Doktoren und Rektoren der Universitäten des 15. bis 17. Jahrhunderts.

Ein Schwerpunkt des zweiten, sechs Räume umfassenden Ausstellungsteils liegt auf den symbolischen Gesten Küssen, Knien, Thronen und Schwören. Gezeigt wird auch, wie mit der Französischen Revolution ein Umbruch der alten Ordnung erfolgte. Anhand von Video-Sequenzen ist schließlich die Verwendung von Ritualen in der Gegenwart zu sehen, so zum Beispiel die Erhebung von Bischöfen zu Kardinälen oder der Eid der Bundeskanzlerin.

Prozession, Weihe oder Krönung und Mahl

Nicht zuletzt bietet die Ausstellung in vielerlei Hinsicht Einblicke in das kirchliche Leben der Vormoderne: Die mittelalterliche Bischofsweihe bildet eines der vier Fallbeispiele, anhand derer Strukturen und Ablauf von Einsetzungsritualen deutlich werden. "Hierfür konnten hochwertige Objekte gewonnen werden, die zum einen bei dem Weiheakt selbst Verwendung fanden und zum anderen darstellen und normieren", erläutert Dorothee Linnemann M.A. aus Münster, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin wesentlich an der Erarbeitung der Ausstellung beteiligt war. "So zeigen wir als wichtige bischöfliche Insignien den Ring Aribos von Mainz, mit dessen Übergabe zusammen mit der des Stabs die Amtsübernahme symbolisch vollzogen wurde, sowie eine wertvolle Mitra des Havelberger Domschatzes und eine Kasel (priesterliches Gewand) des 15. Jahrhunderts. Daneben werden Pontifikale präsentiert, darunter auch aus der Bibliothèque Nationale de France, in denen wie in einem ,Drehbuch‘ der Ablauf einer Bischofsweihe geregelt ist."

Derartige Bücher bestimmten auch den Ritus der Königs- und Kaiserkrönung. Frau Linnemann: "Die Bücher stellen ein Beispiel für die enge Verknüpfung von Religion und weltlicher Politik in der Vormoderne dar. Die kirchliche Liturgie und die Bibel lieferten die Vorbilder für die Ausgestaltung der weltlichen Rituale. Diese Rituale waren keinesfalls weltlichsäkular im heutigen Verständnis, sondern stets sakral aufgeladen und durch religiöse Bezüge legitimiert." Sehr prominent, so die Wissenschaftlerin, werde dies am Beispiel der Krone der römischdeutschen Kaiser deutlich, die mit aufwändigen Darstellungen biblischer Szenen geschmückt ist.

Revolutionäre wählten wieder religiöse Rituale

Aber auch die Veränderung und Umdeutung kirchlicher Einsetzungsrituale und religiöser Symbole werden thematisiert. "Hier ist es zum einen die reformatorische Kritik an Papsttum und ,alter Kirche‘, die durch verschiedene Flugblätter und Traktate ins Blickfeld rückt. In dem eigens der Französischen Revolution gewidmeten Raum wird der fundamentale Umbruch in der religiösen Ordnung gezeigt. Zugleich wird deutlich: Bei dem Entwurf neuer Rituale und Symbole bedienten sich die Revolutionäre weiterhin religiöser, kirchlicher Traditionen. Sinnfällig wird dieser Widerspruch am ,Altar des Vaterlandes‘", so Frau Linnemann.

Die Ausstellung wurde durch die Kooperation des Sonderforschungsbereichs "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme" der Universität Münster und des Kulturhistorischen Museums Magdeburg möglich. Für die Schau wurden 250 Exponate aus verschiedenen Ländern Europas zusammengetragen.

Von Eckhard Pohl

Hinweis: Die Ausstellung war bis 4. Januar 2009 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zu sehen. Begleitmaterial: Katalog (256 Seiten, kompakte Darstellungen, 220 Abbildungen); Broschüre; Museumspädagogische Publikationen: Begleitheft zur Ausstellung; Materialien für den Unterricht; Heft für junge Leser. Zudem gibt es noch sechs begleitende Vorträge.

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