Auf die Dosierung kommt es an
Jahrestagung der Gemeindereferenten zum vielschichtigen Thema "Heimat"
"Wie viel Heimat braucht der Mensch?" hieß die Leitfrage, der sich die Teilnehmer auf unterschiedlichsten Wegen näherten: biografisch - mit Lebenszeugnissen von Menschen, die durch Krieg, Arbeits- oder Asylsuche ihre Heimat verloren haben, biblisch - in einer Betrachtung des Dresdner Jesuiten Pater Johannes Jeran, pastoraltheologisch - mit Referaten des Wiener Pastoraltheologen Professor Paul Michael Zulehner und in einem Heimatabend mit kulturellen Beiträgen aus allen Regionen des Bistums nicht zuletzt auch kreativ.
Dass die richtige Dosierung beim Thema "Heimat" eine Rolle spielt, war bei Professor Zulehner herauszuhören. Er ordnete die Sehnsucht nach Heimat in die Reihe menschlicher Urwünsche ein, neben der Sehnsucht nach Unaustauschbarkeit und der nach dem Ausleben der eigenen Kreativität. Erwachsene Lebenskunst bedeutet nach Zulehners Worten, die Balance zwischen diesen "Lebensheiligtümern" zu halten. Wer das Augenmerk etwa zu sehr auf die eigenen Wurzeln richte, der laufe Gefahr, fundamentalistisch zu werden. Vielerorts sieht der österreichische Pastoraltheologe die Kirche heute in dieser Gefahr. Wenn Kreativität als Bedrohung erlebt werde, führe das zu Erstarrung. In den Gemeinden gelte es, die Balance zu finden zwischen "regressiver Kuschelkirche und Aktionismus, der zum Burnout führt". Den Versuch einer solchen Balance bezeichne das Schlagwort "Kirche als Weg-Gemeinschaft".
Zulehner riet den Gemeindereferenten, bei pastoralen Begegnungen allen Lebensheiligtümern Raum zu geben. Wenn dies gelinge, dann könnten Menschen in der Begegnung eine "Kurzzeitheimat" finden. Sie gingen dann getröstet weiter, auch wenn der Gesprächspartner ihnen keine konkreten Lösungsvorschläge für ihre Fragen und Probleme machen konnte.
Dass immer mehr Menschen in der Kirche gar keine dauerhafte Beheimatung wollten, sondern ihre Nähe und Kompetenz nur für den Moment oder in einer vorübergehenden Lebenskrise suchten, beobachten Gemeindereferentinnen und -referenten gerade in den Großstadtgemeinden. "Wir sollten uns darauf intensiver einlassen", meint Gabriele Eifler, Diözesanbeauftragte der Berufsgruppe. Schließlich seien die Christen nicht in erster Linie gesandt, Menschen in die Kirche zu bringen, sondern ihnen die frohe Botschaft zu verkünden. "Wir machen uns seit Jahren Gedanken, wie wir Jugendliche besser in unseren Gemeinden beheimaten können", erzählt die Dresdner Gemeindereferentin Carola Gans. Während der Tagung sei ihr sehr klar geworden, dass großer Aktivismus zu nichts führt und dass es stattdessen auf die Echtheit der Begegnungen ankomme - ein Eindruck, den Sabine Bley aus Wechselburg nach einem Wiedersehen mit Jugendlichen aus einer ihrer früheren Gemeinden bestätigt sieht: "Gerade diejenigen, für die ich - oft bis spät in die Nacht - viel Zeit investiert habe, sind in der Kirche geblieben. Jugendliche, mit denen ich immer wieder aneinandergeraten bin, haben sich im Nachhinein bei mir bedankt. Sie fühlten sich willkommen."
Von Dorothee Wanzek