"Wir müssen Religion zeigen"
Hallenser Theologe über die Vermittlung von Religion in Ostdeutschland
Bei der Vermittlung von Religion unter den Bedingungen Ostdeutschlands hat sich der Hallenser Theologe Harald Schwillus dafür ausgesprochen, nicht nur religiöses Sachwissen weiterzugeben, sondern eine Atmosphäre zu schaffen, in der Menschen religiöse Erfahrungen machen können. "Wahrheit ist an Wahrnehmung und diese an Inszenierung gebunden", sagte Schwillus, der am Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik an der Universität Halle lehrt, im Festvortrag bei der Künstlerbegegnung des Bistums Magdeburg in Halle.
Als Beispiel verwies Schwillus auf die frommen Schauspiele der Jesuiten im 16. Jahrhundert, wodurch diese neue Räume für die Präsentation von Glaubensinhalten mit enormer Wirkung erschlossen hätten. Zeitgenossen urteilten damals: "Was hundert Predigten kaum vermocht hätten, haben diese wenigen Stunden Schauspiel vollbracht."
Kirchliche Angebote hätten heute oft "zu wenig Strahlkraft nach außen", kritisierte Schwillus. Dies drücke sich beispielsweise in der Feststellung des ehemaligen Direktors der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Klose, aus, wenn dieser sage, "wir reden vom missionarischen Auftrag, aber dringen gar nicht bis zu den Menschen vor". Für die Begegnung mit den Menschen sei es nötig, neue Räume zu erschließen: Politik, Wissenschaft oder Kultur beispielsweise. Die Kirche habe sich aus dem Raum der Kultur zurückgezogen und in vielen gesellschaftlichen Bereichen ihre Funktion verloren. Nötig sei heute eine neue "Übersetzungsleistung", die religiöse Wahrheit aus dem Binnenraum der Kirche wieder nach draußen bringt.
Bei der Lösung dieser Aufgabe spiele die Religionspädagogik eine wichtige Rolle. "Religiöse Bildung des Menschen ist eine zentrale Aufgabe der Theologie", sagte Schwillus. Dogmatische Diskussionen seien nicht überflüssig, aber zur Vermittlung von Religion gehöre mehr: Kirchenräume, Gebetshaltungen, religiöse Bilder ... "Wir dürfen die Religion nicht nur erklären. Wir müssen sie zeigen."
Menschen, die sich für das Christentum interessierten, "werden immer noch mit hohen Schwellen konfrontiert", stellte Schwillus fest und das heiße: "Sie werden abgewiesen". Theologie müsse deshalb fragen: "Was macht das Christentum zugänglich? Und an welchen Orten kann das wie geschehen?" Radio, Fernsehen, Internet, Kino, Oper und Museen nannte Schwillus als mögliche Ansatzpunkte. Das sei um so nötiger angesichts der extrem areligiösen Situation in Ostdeutschland, speziell in Sachsen-Anhalt und hier besonders in den Großstädten. Die Kirche müsse unter diesen Bedingungen versuchen, den Menschen auf religiöse Fragen aufmerksam zu machen. Schwillus bezeichnete das als "kulturelle Diakonie".
Ein Beispiel, wie das geschehen könne, sei die im Rahmen des Mechthildjahres im Kulturhistorischen Museum Magdeburg gezeigte Ausstellung "Minne - Mut - Mystik". Schwillus: "Hier wurde versucht, die christliche Botschaft von der Heiligkeit im Raum des Museums zur Sprache zu bringen, mit dem Ziel, dass der Besucher sich fragt: Wer bin ich denn selbst?" Solche Erfahrungen zu eröffnen, sei Vermittlung von Religion.