Menschenwürdiges Dasein
Martin Happe ist Bischof in Mauretanien und sorgt sich dort unter anderem um die Bootsflüchtlinge
Martin Happe kommt aus dem Münsterland und ist katholischer Bischof in einem Land, das seit dem zwölften Jahrhundert zu 100 Prozent islamisch ist. "Hier ist man so selbstverständlich Muslim wie in meiner Kindheit im Münsterland Christ." Mauretanien nennt sich auch offi ziell islamische Republik, "nicht islamistisch" setzt Bischof Happe dazu, denn die Muslime sind weder fanatisch noch gewalttätig. "Als Christen fühlen wir uns in totaler Sicherheit." Trotzdem ist die Situation seines Bistums eine besondere und "sie erklärt, was wir als Katholiken in Mauretanien tun können und was nicht."
Das Bistum von Bischof Happe umfasst das ganze Land. Die etwa 4000 Katholiken, die dazugehören, sind alle Ausländer. Einige haben französische Wurzeln und sind im Zuge der Eisenerzbergbaus gekommen, andere kamen nach der Unabhängigkeit 1960, um beim Aufbau moderner Strukturen zu helfen. Zwölf Priester gibt es und etwa 40 Ordensschwestern.
Was tun Christen in einer solchen Situation? "Das, was Christen überall auf der Welt tun", sagt Bischof Happe: "Die Aufgabe Jesu fortsetzen." Jesus habe konkret gezeigt, dass Gott alle Menschen liebt. "So klein wir als Kirche sind, versuchen wir entsprechende Zeichen zu setzen." Sein Vorgänger hat 1970 eine Caritas gegründet. Die Kirche sorgt sich um Straßenkinder, es gibt Kindergärten und Schulen, Büchereien und Bemühungen in der Gesundheitsvorsorge. Bischof Happe hat die erste Krankenversicherung des Landes gegründet, die inzwischen schwarze Zahlen schreibt. "Alle sozialen Probleme werden wir nicht lösen können, aber wir können auch mit wenigem viel bewirken."
Das gilt für einen Bereich besonders: die Hilfe für Flüchtlinge. Da gibt es in Mauretanien nicht nur die innerafrikanischen Flüchtlinge, die vor Hunger- und Naturkatastrophen oder Kriegen fl iehen. Zum Bistum von Bischof Happe gehört einer der westlichen Punkte von Afrika, die Küstenstadt Nouadhibou. Hier treffen sich junge Afrikaner, meist Männer, manchmal auch Frauen, vor allem Schwangere, die als sogenannte Boatpeople nach Europa fl iehen. Mit 60 bis 100 Mann auf einem kleinen Fischerboot wagen sie die vier Tage dauernde Überfahrt zu den Kanarischen Inseln. Die meisten werden von ihren Familien oder Dorfgemeinschaften geschickt, um in Europa den Lebensunterhalt für die Daheimgebliebenen zu verdienen. Bischof Happe: "Das Geld, das so nach Afrika kommt ist doppelt so viel wie die private und öffentliche Entwicklungshilfe zusammengenommen."
Fasziniert von den Bildern des europäischen Schlaraffenlandes im heimischen Satellitenfernsehen oder im Internet zieht es die Flüchtlinge nach Europa - "wie Schmetterlinge, die vom Licht angezogen werden". Kein Wunder: Beträgt doch das durchschnittliche Jahreseinkommen in Nouadhibou 300 Dollar und im nur einige hundert Kilometer entfernten Las Palmas 25 000 Dollar.
Die katholische Kirche hat sich zu einer wichtigen Anlaufstelle für die Flüchtlinge entwickelt - mit einer offenen Tür und einem offenen Ohr. "Wir versuchen diesen Menschen zu einem menschenwürdigen Dasein zu verhelfen." Das geschieht etwa in einer Art Sozialstation mit medizinischer Behandlung und rechtlicher Beratung. Dort gibt es Internet, Fernsehen und eine Bibliothek. Außerdem werden Kurse angeboten - im Kochen, Nähen und verschiedene Sprachen. "Spanisch ist besonders beliebt."
Abhalten von ihrem Vorhaben kann die Kirche die Flüchtlinge nicht mehr. Bischof Happe: "Wenn sie bei uns sind, gibt es kein Zurück mehr." Viele bezahlen das dann mit ihrem Leben. Zahlen gibt es nicht, aber man rechnet mit mehreren tausend Toten jährlich. Die wieder an die Küste gespülten Leichname zu beerdigen, ist dann der letzte Dienst, den die Kirche leisten kann.
"Europa und Amerika haben für diese Situation eine Mitverantwortung und deshalb sind sie auch in der Pfl icht, an einer Lösung mitzuarbeiten", sagt Bischof Happe, ohne vorschnell urteilen zu wollen. Ein erster Schritt dazu müsse die Erkenntnis sein, dass es aussichtslos ist, Europa abschotten zu wollen. "Der Limes hat nicht funktioniert, die Chinesische Mauer nicht, ebensowenig wie die Grenze zwischen Mexiko und den USA." Eine Patentlösung hat auch der Bischof nicht. Viele kleine Schritte sind nötig. Einer davon könnte die Erkenntnis sein, dass auch Afrikaner das Recht haben, dorthin zu reisen, wohin sie wollen. Bischof Happe: "Warum darf ein Europäer in der ganzen Welt umherreisen und ein Afrikaner nicht?"