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Kirchen: Orte des freien Wortes

Rolle der Kirchen bei den politischen Veränderungen 1989 in der damaligen DDR

Weimar. Die Rolle der Kirchen bei den politischen Veränderungen in den ehemaligen Ostblockländern ab Ende der 1980er Jahre war Thema eines Internationalen Symposions in Weimar. Ein besonderer Blick galt dabei der Situation in der damaligen DDR.
Wenn sich im nächsten Jahr die Ereignisse im Zusammenhang mit den politischen Veränderungen in den ehemaligen Ostblock-Ländern zum 20. Mal jähren, dann wird es dabei auch wieder um die Frage gehen: Wer waren die Akteure des Umbruchs? Das siebente Internationale Symposion der Stiftung Ettersberg in Weimar hat diese Frage mit Blick auf die Rolle der Christen und der Kirchen gestellt. Ein besonderer Blick galt dabei der Situation in der damaligen DDR und vor allem der Rolle der evangelischen Kirche.

Die Kirchen in der DDR sind nach Einschätzung des evangelischen Theologen Richard Schröder (Berlin) weder die "Mutter der Revolution" noch einen "Stütze des Systems" gewesen. "Das eine ist zu viel der Ehre, das andere zu viel der Schande." Die Kirchen waren in der DDR der "einzige Ort für das freie Gespräch" und die evangelische Kirche habe sich in dieser Funktion auch als Dach für Nichtchristen und ihre Anliegen angeboten. "Unter dem Gesichtspunkt der geistigen Monotonie in der DDR waren vor allem die kleinen kirchlichen Wochenzeitungen, die Akademie und Studentengemeinden von großer Bedeutung."

Einen wichtigen Beitrag hätten die Kirchen im Herbst 1989 auch damit geleistet, dass sie oft die Funktion der von der SED noch nicht freigegebenen Rathäuser übernahmen, sagte Schröder. Dennoch täuschten die Bilder der vollen Kirchen zu Friedengebetszeiten. "Die Kirchen waren nicht in der Lage Massen zu bewegen."

Nur kurze Zeit später wurde gegen die Kirchen der Vorwurf erhoben, sie seien Stützen des SED-Systems gewesen. Woher kommt dieser Vorwurf? Schröder sieht den Grund in den Stasi-Verstrickungen. Eine entsprechende Aufarbeitung sei aber inzwischen geschehen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Kirchen nicht stärker von der Stasi durchdrungen waren, als andere Bereiche auch. Vor allem sei es der Stasi nach Schröders Einschätzung nicht gelungen, wichtige Entscheidungen der Kirchen zu beeinfl ussen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Kirchen in der DDR war es, dass diese ihre Pfarrer selbst bezahlten. In der CSSR und Ungarn war das anders. Dort war mit der Gehaltszahlung auch eine staatliche Predigtgenehmigung verbunden.

Die Kirchen in der DDR seien im Herbst 1989 zu "politischen Akteuren geworden, die selbstständig ihren Beitrag zu den politischen Veränderungen geleistet haben". Zu diesem Ergebnis kam der evangelische Theologe und Historiker Ehrhart Neubert (Erfurt). Dabei seien vor allem die Kirchenleitungen gar nicht so sehr für eine Revolution gewesen. "Aber sie trauten dem Staat nicht mehr zu, die Probleme zu lösen." So formulierte die Synode des evangelischen DDR-Kirchenbundes im September 1989: "Wir brauchen ein allgemeines Problembewusstsein, dass Reformen in unserem Land nötig sind."

Als wichtigsten Beitrag der Kirchen zur Revolution in der DDR bezeichnete Neubert die Friedensgebete und in derer Folge die Gewaltfreiheit. "Die Leute sangen ,Dona nobis pacem‘, ohne es zu verstehen." Außerdem hätten sich die Kirchen in der Zeit der Runden Tische als Vermittler bewährt. Dass viele kirchlich Engagierte damals in die Politik wechselten, lag nach Neuberts Worten vor allem daran, dass sie zu den wenigen gehörten, die noch die Fähigkeit hatten frei zu sprechen.

Dass im kommenden Jahr eine ökumenische Debatte über die Beteiligung der Kirchen am Umbruch in der DDR zu erwarten ist, darauf gab das Weimarer Symposion schon einen kleinen Vorgeschmack. Immer mal wieder kam auch die Rolle der katholischen Kirche zur Sprache. Diese habe sich "den Mühen der Zusammenarbeit" mit oppositionellen Gruppen entzogen, sagte Richard Schröder. Angesichts ihrer Minderheitensituation habe er dafür ein gewisses Verständnis. Es habe jetzt aber auch keinen Zweck zu sagen, "die katholische Kirche hat die Revolution in der DDR organisiert". Allerdings hätten sich viele katholische Christen beteiligt, die aber zum Teil unter das Dach der evangelischen Kirche geschlüpft seien.

Von Matthias Holluba

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