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Erkenntisse aus dem Abfall

Ausstellung zeigt archäologische Funde, die über das Leben Martin Luthers Auskunft geben

Halle. Was wurde im Elternhaus Martin Luthers gegessen? Wie lebte der Doktor der Heiligen Schrift später in Wittenberg? Und wo genau gewann er seine reformatorischen Erkenntnisse? Die Ausstellung "Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Reformators" in Halle gibt Anwort.

Am Elternhaus Martin Luthers in Mansfeld wurden viele Keramikscherben gefunden, die über die gute Ausstattung des Familienhaushaltes Auskunft geben.

"Wir machen mit zahlreichen Lebensdetails des Reformators bekannt", erläutert Ausstellungs- Kurator Björn Schlenker. So sind bei den Grabungen am Elternhaus Luthers in Mansfeld 2003 teure Gläser, Tafelmesser und Gewand- Spangen gefunden worden, die auf einen gediegenen Lebensstil seiner Familie schließen lassen. Auch die Größe des elterlichen Gehöfts mit zwei stattlichen Gebäuden, Stallungen und Lagerräumen zeugt davon. "Zudem haben wir aus den gefundenen Knochen- und Pfl anzenresten rekonstruieren können, dass in Luthers Elternhaus hochwertige Lebensmittel auf den Tisch kamen", sagt der Archäologe. So leistete sich die Familie regelmäßig das teure Fleisch junger Schweine, aber etwa auch Gänse. Zudem jagte und verzehrte man Singvögel und aß in der Fastenzeit viel Fisch. Gefunden wurden auch Reste zum Beispiel von Feigen. Damit steht für den Grabungsfachmann fest, dass Luther - im Gegensatz zur Überlieferung - aus einer begüterten Familie stammt und nicht "eines armen Häuers (Bergmanns)" Sohn war, wie er selbst in seinen Tischreden betonte.

Luther, der 1483 in Eisleben geboren wurde und 1546 in Eisleben starb, verbrachte die ersten 14 Jahre seines Lebens in dem rund 15 Kilometer entfernten Mansfeld. Sein Vater Hans (1459 -1530) war in der Stadt Bergwerksbetreiber, saß im Magistrat und war an Geldgeschäften mit den Mansfelder Grafen beteiligt. Möglicherweise verschwieg Luther später seine gutsituierte Herkunft, um seine Berufung durch Gott vom einfachen Augustinermönch und Mann aus dem Volk zum Reformator der Kirche herauszustellen, vermutet der Wissenschaftler.

Ein Großteil der Funde in Mansfeld, darunter auch 300 Silbermünzen sowie Gürtel- und Gewandbeschläge, gehen offensichtlich auf eine überhastete Entsorgung von Hausrat in einer neben dem Haus befi ndlichen Abfallgrube zurück. Nach der Mansfelder Chronik von Cyriakus Spangenberg, die in der Ausstellung zu sehen ist, wurde die Stadt 1505 von der Pest heimgesucht, so Archäologe Schlenker. Luther schreibt, dass zwei seiner Brüder der Pest zum Opfer fi elen. Um die Seuche einzudämmen, wurde vermutlich alles, womit sie in Berührung gekommen waren, schnellstens in eine Grube entsorgt.

Auch um Luthers Wohngebäude in Wittenberg, Teil des einstigen Augustiner-Eremiten-Klosters, wurde man fündig. Die Archäologen entdeckten dort 2004 die Grundmauern des sogenannten Luther-Turms und in 500 Jahre altem Abfall Speisereste, Hausrat, Teile von Einrichtungsgegenständen und auch ein von Luther erwähntes Klo. Die Besucher der Landesausstellung Sachsen-Anhalts in Halle können von diesen Funden zum Beispiel ein einteiliges Schreibset mit Tintenfass und Schalen für Federn und Anspitzmesser, aber auch kostbare Gefäße oder Kacheln eines Prunkofens aus Luthers Haus bestaunen, wie ihn auch Kardinal Albrecht in der Moritzburg in Halle aufstellen ließ. Als Ergänzung zu den Funden wurden 16 der weltweit 17 Luther zugewiesenen Becher - er sammelte sie - in der Ausstellung zusammengetragen. Von ihnen sind jedoch höchstens drei bis fünf wirklich authentisch mit ihm in Verbindung zu bringen, wie Schlenker betont.

Neben den Zinn- und anderen Bechern fi ndet sich auch ein auf einem Blatt Papier fi xierter Floh, der den Reformator einst gepiesackt haben soll, zudem ein Bild von Luthers Geburtshaus in Eisleben. In dessen Rahmen hat ein holländischer Verehrer des Reformators "Lutherreliquien" einlegen lassen, die er von einer Reise nach Eisleben, Mansfeld und Eisenach mitbrachte.

1508 war Luther nach Wittenberg gezogen, um an der dortigen Universität zu lehren. Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte er dann seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel. Bereits Jahre zuvor hatte ihn die Frage umgetrieben, wie der Mensch bei Gott Barmherzigkeit fi nden kann. Die Erkenntnis, dass der Glaube allein gerecht macht, ist in ihm wohl nicht zuletzt in seiner Studierstube in dem Gebäude gereift, dessen Fundamente 2004/05 freigelegt wurden.

Ob Luther die 95 Thesen wirklich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche anschlug oder anschlagen ließ, ist fraglich. 1962 versuchte der katholische Kirchenhistoriker Erwin Iserloh nachzuweisen, dass Luther sie zunächst "nur" an den zuständigen Bischof Kardinal Albrecht von Brandenburg und Professorenkollegen verschickte. Der Brief, der sonst in Stockholm aufbewahrt wird, ist in der Ausstellung zu sehen, die Thesen existieren allerdings nur noch als Drucke. Auch der evangelische Jenaer Reformations-Experte Volker Leppin hält den Anschlag der Thesen für unwahrscheinlich. Andere Wissenschaftler wie Martin Treu aus Wittenberg sehen in der 2006 entdeckten Notiz des Luther- Assistenten Georg Rörer (1492- 1557) in Luthers Handexemplar des Neuen Testaments einen Beleg für den tatsächlichen Thesenanschlag.

Von Eckhard Pohl

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