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Künftig sehr sparsam wirtschaften

Magdeburger Generalvikar Sternal zu den Folgen der Millionenverluste der bistumseigenen Gero AG

Magdeburg. Die dem Bistum Magdeburg gehörende Gero AG hat Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet. Über die Folgen sprach der Tag des Herrn mit Generalvikar Raimund Sternal.

Gerneralvikar Sternal

Herr Generalvikar, das Bistum Magdeburg hat durch Geschäfte seiner Firma Gero AG finanzielle Verluste im höheren zweistelligen Millionenbereich erlitten. Zwar sei das Bistum dadurch nicht insolvent, aber künftige Handlungsmöglichkeiten werden eingeschränkt. Wofür wird künftig kein oder weniger Geld da sein?


Unbestritten ist, dass unser Bistum mit dem finanziellen Verlust einen ernsten Schaden erlitten hat. Wie sich das im Einzelnen auswirken wird, kann heute noch keiner sagen. Auf jeden Fall werden wir weniger Geld zur Verfügung haben, denn die Einnahmen aus dem verlorenen Vermögen fehlen uns in Zukunft. Ausdrücklich möchte ich aber auch hier darauf hinweisen: Das Bistum Magdeburg ist nicht insolvent. Wir müssen künftig aber sehr sparsam wirtschaften.

Gibt es Möglichkeiten, die Verluste zu verringern, beispielsweise durch den Verkauf von Immobilien?

Wir können die Verluste heute noch nicht beziffern. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass wir seit geraumer Zeit versuchen, Tochtergesellschaften der Gero AG zu verkaufen. Über die Erlöse kann man heute nur spekulieren. Uns ist auf diesem Weg in den vergangenen Monaten schon manches gelungen, einige Verkäufe stehen aber noch aus, wie zum Beispiel der der Grünen Zitadelle in Magdeburg - eine wertvolle Immobilie, die wir keinesfalls verramschen werden.

Wie sollen die Schulden abgetragen werden?

Den Schulden des Bistums steht entsprechendes Vermögen in verschiedenen Anlageformen gegenüber. Durch Verkauf von Vermögens-Teilen werden wir die Schulden zurückführen. Da viele Anlagen kurz- oder längerfristig festgelegt sind, braucht dieser Vorgang einige Jahre.

Das seinerzeit hochverschuldete Erzbistum Berlin hat finanzielle Hilfe von den anderen deutschen Bistümern erhalten. Plant das Bistum Magdeburg, in ähnlicher Weise um Unterstützung zu bitten?

Unser Fall liegt grundsätzlich anders. Ich gehe davon aus, dass wir über die bereits in Aussicht stehenden Zuweisungen über den Verband der Diözesen hinaus keine finanzielle Unterstützung erwarten können und damit auskommen müssen.

Die Gero AG sollte vor allem Geld für "den Bau und Unterhalt von Schulen und Kindergärten sowie für die Sanierung von Gemeinderäumen und Kirchen" erwirtschaften. Sind diese Aufgaben gefährdet?

Die Frage trifft das Problem nur zum Teil. Das Siedlungswerk St. Gertrud, das 2002 zur Gero AG weiterentwickelt wurde, hatte die Aufgabe, für das Bistum zu wirtschaften. Die Gewinne, die da ja auch zu verzeichnen waren, standen dann teilweise für die von Ihnen erwähnten Aufgaben zur Verfügung. Doch zu Ihrer Frage: Der Bau und Unterhalt von Schulen und Kindergärten ist von unseren Verlusten nicht betroffen. Da gibt es andere Finanzierungsmöglichkeiten. Schwieriger ist es schon im Blick auf Kirchen und Gemeindeimmobilien. Hier haben wir vermutlich künftig weniger Geld zur Verfügung.

Im Brief des Bischofs heißt es: "Das Eigentum der Kirchengemeinden ist nicht betroffen." Müssen die Gemeinden dennoch mit finanziellen Einschnitten rechnen, etwa durch geringere Zuschüsse seitens des Bistums?

Wie ich bereits sagte, kann ich hier derzeit noch keine konkreten, belastbaren Aussagen treffen. Da müssen wir erst die Abschlussbilanz nach Abwicklung der Gero AG abwarten. Klar ist aber, dass wir auf die Erträge aus dem verlorenen Vermögen verzichten müssen. Außerdem rechnen wir damit, dass der Solidarbeitrag der Westbistümer nach 2010 zwar in beträchtlichem Maß weitergezahlt wird, aber doch geringer ausfällt als bisher. Das Bistum muss also mit weniger Geld wirtschaften. Insofern gehe ich davon aus, dass auch manche finanzielle Hilfe für die Gemeinden geringer ausfallen wird. Nachdem wir seit etwa vier Wochen den Gesamt-Jahresabschluss 2008 für das Bistum kennen und auch erste Hinweise auf die konkrete Entwicklung der Westzuschüsse nach 2010 haben, sind wir dabei, einen Sparplan für die Jahre 2011 bis 2015 zu erarbeiten. Dieser Plan wird im Herbst vorliegen.

Wenn die Probleme mit der Gero AG seit längerem bekannt sind, warum werden Bistum und Öffentlichkeit erst jetzt - nach entsprechenden Medienberichten - informiert?

Ich kann das Kopfschütteln mancher darüber verstehen, bitte aber um Verständnis dafür, dass wir damit nicht in die Öffentlichkeit gegangen sind. Wir wussten seit etwa einem Jahr - mit Vorliegen des Jahresabschlusses 2007 - um erste bezifferbare Schäden in unserem Wirtschaftsunternehmen. Darüber wurden die zuständigen Gremien - der Kirchensteuer- und Vermögensverwaltungsrat sowie das Kathedralkapitel - informiert. In den Priesterwerkwochen am Anfang dieses Jahres haben wir die Priester unseres Bistums auf die entstandenen Probleme aufmerksam gemacht.

Seit Anfang Juni liegt uns der Jahresabschluss 2008 vor, der die Millionenverluste verdeutlicht. Der Kirchensteuer- und Vermögensverwaltungsrat des Bistums Magdeburg, in dem Vertreter der Dekanate und Wirtschaftsfachleute den Bischof beraten, hat die Lage am 13. Juni zur Kenntnis genommen und empfohlen, den vorgeschlagenen Weg der Konsolidierung weiterzugehen. Unser Vorgehen war und ist getragen von dem Bemühen um Schadensbegrenzung. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel erläutern: Die Meltec ist ein Tochterunternehmen der Gero AG, das sich im medizinischen Bereich betätigt. In diese Firma haben wir seinerzeit rund 13 Millionen Euro investiert. Heute wissen wir, dass die damals Handelnden nicht den nötigen Sachverstand hatten. Und es stellt sich jetzt heraus, dass noch einmal mindestens 30 Millionen Euro notwendig wären, um mit den Patenten der Firma auf dem Weltmarkt eine Chance zu haben. Das wollen und können wir nicht investieren. Deshalb sollen die Patente verkauft werden. Wenn aber ein potentieller Käufer den Eindruck hätte, dass wir sie um jeden Preis verkaufen wollen, dann wird er womöglich versuchen, den Kaufpreis bis tief in den Keller zu drücken. Diesem Risiko, dass sich dadurch unsere Verluste noch vergrößern, wollten wir uns nicht aussetzen. Wir wollten und wollen den Schaden so weit irgend möglich begrenzen. Darum sind wir mit den Problemen nicht aus eigenen Stücken an die Öffentlichkeit gegangen.

In einem Interview haben Sie gesagt: "Wir haben viel Glaubwürdigkeit und Vertrauen verspielt." Was werden Sie tun, um diesen Imageschaden zu beseitigen?

Ich kann hier nur wiederholen, dass die heute Verantwortlichen für das Geschehene Verantwortung übernehmen. Aber ich kann auch festhalten, dass wir bereits im Jahr 2006 ernsthaft nach der Vereinbarkeit des Gero AG-Engagements mit den Vorstellungen und Erwartungen christlichen Tun und Lassens fragten. Als sich zeigte, wie problematisch das Geschäftsgebaren der Gero AG für unser Bistum ist, hat Bischof Gerhard im Juni 2007 die Trennung von Bistum und AG beschlossen. Im Zusammenhang damit zeigten sich dann die wirtschaftlichen Schieflagen. Wir haben also in der Tat aus eigener Kraft die notwendigen Konsequenzen gezogen und mittlerweile die Probleme der Vergangenheit zu einem Großteil aufgearbeitet. Damit hoffe ich, um Vertrauen werben zu können. Darüber hinaus ist nicht nur in unserer Wirtschaft deutlich geworden, dass man ein Unternehmen nicht allein auf dem Fundament von Vertrauen gegenüber dem Management führen kann. Neben dem Vertrauen braucht wirtschaftliches Engagement Transparenz und regelmäßige Überprüfung durch die Zuständigen. Auch das gehört zu den Grundsätzen unseres weiteren Handelns in verschiedensten Bereichen. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, hoffe ich sehr, dass die Gläubigen unseres Bistums den Einsatz für die Aufarbeitung der Fehlentwicklungen anerkennen und uns auch zutrauen, die daraus folgenden Probleme zu bewältigen.

Fragen: Matthias Holluba

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