Christlich und königlich
Zum Christkönigsfest: Im Gespräch mit zwei katholischen Majestäten
Woran denkt ihr, wenn ihr das Wort "König(in)" hört? Eher an den Glamour und die Skandale, mit denen europäische Königshäuser heutzutage Schlagzeilen machen, an die reisenden Herrscher früherer Jahrhunderte, die die Geschicke ihres Volkes zu lenken versuchten, an den guten König, wie man ihn aus dem Märchen kennt, und der dafür sorgt, dass die Menschen in seinem Land ihr Glück finden können oder ...
Thekla: Der Märchenkönig hat, denke ich, am meisten damit zu tun, wie ich mein Amt als Fischkönigin verstehe - oder besser gesagt - verstanden habe. Ich verkörpere ein Stückchen heile Welt, wenn ich - immer lächelnd - in der Öffentlichkeit stehe. Letztes Jahr gab es eine außergewöhnlich schlechte Fischernte wegen des Wetters und wegen einer Fischkrankheit, die grassierte. Die Stimmung war äußerst schlecht, es gab viele Beschwerden und gegenseitige Schuldzuweisungen. Als Fischkönigin bin ich dann diejenige, die all das zwischendurch vergessen lässt und an der sich ein bisschen die Hoffnungen wieder aufrichten, dass es bald wieder besser wird. Ich gehe über ein Fest, die Menschen sehen mich und lächeln.
Adel verpflichtet - gilt diese alte Redewendung auch für Rosen- und Fischköniginnen?
Julia: Das, was Thekla gerade sagte, dass wir den Menschen Freude machen, sie zum Lächeln bringen, ist in der Tat eine Verpflichtung. Ich bin als Königin immer freundlich, egal wie schlecht es mir gerade geht. Es ist aber auch nichts krampfhaft Aufgesetztes, es kommt schon von innen heraus. Ich empfinde es als große Ehre, Rosenkönigin sein zu dürfen. Viele freuen sich mit mir, und das möchte ich auch an die Menschen zurückgeben. Ich spüre diese Verpflichtung auch dann, wenn ich in Alltagskleidung in der Stadt unterwegs bin.
Thekla: Das geht mir ähnlich. Ich spüre eine Verantwortung, mich und das, wofür ich stehe, bestmöglich zu repräsentieren. Das heißt zum Beispiel, dass ich als Fischkönigin kaum in der Öffentlichkeit Fleisch essen kann, auch wenn mir mal danach ist. Mir ist es öfters passiert, dass kleine Kinder vor mir standen, mich ganz groß anschauten und sagten: "Oh, so wie du möchte ich auch mal werden." Ist doch klar, dass ich mich da wie ein Vorbild zu benehmen versuche - mit oder ohne Königinnenkleid.
Wie weit hat denn die "Königinnenwürde" euer Leben verändert?
Julia: Es hat sich eine Menge verändert: Mein Terminkalender ist erheblich voller als zuvor. Die Freizeit ist zusammengeschrumpft. Ich selbst habe mich auch ein bisschen verändert, denke ich. Ich habe meine eigenen Stärken besser kennengelernt, gehe zum Beispiel jetzt offener mit anderen Menschen um. Und ich engagiere mich in anderen Bereichen ebenfalls noch mehr als vorher, besonders in der Kirche.
Thekla: Weniger Freizeit, das stimmt. Und man ist nicht mehr die normale Bürgerin von nebenan. Die Medien interessieren sich plötzlich für einen. Es ist ein schönes Gefühl, etwas zu sagen und alle hören zu. Ich habe in der Zeit als Fischkönigin unglaublich viel gelernt, über Hintergründe und Vernetzungen in Politik und Wirtschaft beispielsweise, und darüber, wer wirklich das Sagen hat. Ich habe sehr viele Leute kennengelernt, und zwar die unterschiedlichsten vom Minister bis hin zur Erntekönigin.
Julia: Auch in den Beziehungen hat sich einiges verändert. Ich habe gemerkt, welche Freunde wirklich hinter mir stehen. Und ich habe Neid zu spüren bekommen, und der macht leider vieles kaputt.
Wie gehst du damit um?
Julia: Ich versuche, da drüberzustehen. Ich will aber auch nicht alles einfach runterschlucken. Manchmal sage ich: Jeder hatte die Chance sich zu bewerben. Die meisten sehen ja nur das Krönchen, das Kleid und das Im-Mittelpunkt- Stehen. Den Aufwand, die Nerven, die man lässt, und das, was man alles auf die Reihe kriegen muss, sehen die meisten nicht.
Thekla: ... oder dass man auf manches verzichten muss. Ich weiß noch, wie ich wochenlang mit meinem Chor für ein großes Chortreffen geprobt hatte. Und dann konnte ich nicht hin, weil ein wichtiger Termin als Fischkönigin dazwischen kam ... Ich sage mir auch: Man kann es niemals jedem recht machen.
Ihr engagiert euch beide in euren Kirchengemeinden. Gibt es Berührungspunkte zwischen dem christlichen und dem königlichen Bereich eures Lebens?
Thekla: Bei der Wermsdorfer Schlössernacht hatte ich ein interessantes Erlebnis. Dort habe ich als Fischkönigin an einer Führung durch unsere katholische Schlosskapelle teilgenommen. Ich bin dort hineingegangen und habe wie immer mein Kreuzzeichen gemacht. Ein hochrangiger Politiker reagierte richtiggehend schockiert: "Sie sind doch nicht etwa Christin?" Ich hab ihn angeschaut und "Ja, na und?" gesagt. Nach einer Pause meinte er dann, es sei ja eigentlich schön, dass ich das dann auch so vertrete. Es kann jeder wissen, dass ich Christin bin. Schließlich (schmunzelnd) repräsentiere ich ja den Fisch, und wenn das nicht zur Kirche passt ...
Julia: Naja, bei einer Rosenkranzandacht war ich bisher noch nie im Rosenkleid. Aber jetzt mal im Ernst: Ich war bei einer Rosenpflanzung bei einem evangelischen Kirchweihfest. Die Leute dort haben sich richtig gefreut, dass ich mitgebetet habe.
Macht ihr als Christinnen irgendetwas anders als andere Rosen-, Wein,- Ernte-, Kartoffel-, Zwiebel- oder Fischköniginnen?
Thekla: Das kann man jetzt sicher nicht verallgemeinern. Aber ich habe bei Königinnentreffen einige gesehen, die sobald sie ihr Kleid anziehen, jemand anders sind. Ich möchte immer ich selbst bleiben.
Julia: Da sprichst du mir aus dem Herzen. Mir ist es sehr wichtig, nicht überheblich zu sein. Königin sein ist einfach ein Teil von mir, deshalb halte ich mich aber nicht für etwas Besseres.
Gab es Situationen, in denen ihr zwischen eurem Amt und dem Christsein in Konflikte gekommen seid?
Julia: Eigentlich nicht. Allenfalls terminlich. Da ist es manchmal schwierig, wenn die Königinnenverpflichtung gerade zur Gottesdienstzeit liegt.
"Christus ist König." - Könnt ihr mit dieser Aussage etwas anfangen? Was verbindet ihr mit dem Christkönigsfest?
Thekla: Ich verstehe das einfach so, dass er etwas ganz Besonderes ist. Ich würde das natürlich niemals auf eine Ebene stellen mit meinem Königin-Sein.
Welche Reaktionen erlebt ihr in der Kirchengemeinde auf eure Königinnen-Rolle?
Thekla: Überwiegend wohlwollende. Der Pfarrer hat mir schon einige Fotos geschenkt, auf denen ich als Fischkönigin drauf bin. Es gibt aber auch manche ältere Leute in der Gemeinde, die alles Neuzeitliche schlecht finden. Die haben mir gesagt: Wie kannst du dich für sowas missbrauchen lassen?
Julia: Manche machen sich Sorgen um mich, dass ich alles schaffe. Andere nehmen es etwas spaßig. Wenn ich komme, machen sie Sprüche nach dem Motto "Jetzt lasst mal die Königin vor". Ich find‘s schon okay so.