Nichts für Pessimisten
Eindrücke von einer Reise zu den Katholiken in Norwegen, dem Land der Mitternachtssonne
Oslo. Die katholische Kirche in Norwegen lebt in extremer Diaspora. Trotz kleiner Zahlen will sie aber eine attraktive Kirche sein.
Die katholische Kirche Norwegens lebt in extremen Verhältnissen. In der Stadt Oslo sind die Katholiken zwar mit einem Bevölkerungsanteil von knapp drei Prozent relativ zahlreich vertreten, aber dafür im Norden Norwegens mit etwa 0,5 Prozent doch frappierend wenig. Gemessen an ihrer Zahl scheint die der Klöster in Norwegen jedoch sehr hoch zu sein: Angesichts 60 000 registrierter Katholiken muten 27 Ordensniederlassungen als viel an. Einige von ihnen entstanden erst in den vergangenen Jahren.
16 Klausur-Zellen und 20 Gästezimmer
In Tiller, einem Vorort von Trondheim, beispielsweise haben zehn Birgittinnen gerade ihr neues Kloster bezogen. Neben 16 Klausur-Zellen für Schwestern und einer Kapelle beherbergt der Neubau auch Tagungsräume und 20 Gästezimmer. Schon dieses Baukonzept zeigt, dass die Gastfreundschaft wichtiger Bestandteil ihrer Spiritualität ist. Die zehn Birgittinnen, die aus fünf verschiedenen Nationen stammen, engagieren sich auf vielfältige Weise in der katholischen Pfarrei, pflegen aber auch den Kontakt zu den nichtchristlichen Nachbarn im Neubau-Umfeld, die sie als Beraterinnen und Gesprächspartnerinnen schätzen.
Einige Kilometer nördlich von Trondheim, auf der Insel Tautra, leben seit zehn Jahren Zisterzienserinnen und knüpfen dabei an eine alte Tradition an: Vom zwölften bis 16. Jahrhundert lebten Mönche desselben Ordens unweit des heutigen Klosters auf Tautra. Seit Sommer 2006 wohnen die Schwestern zu neunt in dem Neubau, der für 18 Nonnen Platz bietet. Und nur etwa 20 Kilometer entfernt, in Munkeby, soll demnächst ein Kloster für Zisterziensermönche entstehen.
Da drängt sich die Frage auf, ob diese Neubauten nicht doch ein wenig zu groß geraten sind. Bischof Bernt Ivar Eidsvig (55), seit 2005 Bischof von Oslo und derzeit zusätzlich Diözesanadministrator von Trondheim, wehrt allerdings ab: "Katholizismus in Norwegen ist nichts für Pessimisten! Und, wissen Sie", ergänzt er, "schöne Liturgie zieht die Menschen an. Überhaupt: Heiligkeit ist die attraktivste Eigenschaft der Kirche. Und wo Menschen Heiligkeit spüren, dorthin kommen sie."
Den besten Beweis dafür liefern die Besucher der Gottesdienste im Mariakloster der Zisterzienserinnen und die Zahl der Bewerbungen um eine Stelle als Freiwilliger dort. Auch Besuchergruppen interessieren sich für das Kloster. Ursprünglich war es Sr. GilKrist‘s Hobby, Seife selber herzustellen. Heute bestreiten die Schwestern, die ursprünglich aus den USA kamen, durch den Verkauf dieser Seife und Cremes 86 Prozent ihrer Lebenshaltungskosten. Doch ohne die Finanzhilfe des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken hätten weder sie noch die Birgittinnen in Trondheim ihr neues Kloster bauen können.
Wie aber sieht katholisches Leben außerhalb von Oslo aus, wenn Pfarreien sich über bis zu 30 000 Quadratkilometer erstrecken (zum Vergleich: das Bistum Dresden-Meißen ist 16 934 Quadratkilometer groß) und zudem Gläubigen aus mehr als 140 Nationen Heimat geben wollen? Wenn möglich, werde monatlich ein Gottesdienst in der Muttersprache angeboten. Außerdem diene das sonntägliche "Kirkekaffe" (Kirchencafé)zur Integration der Neuen, aber auch überhaupt zur Begegnung der Gemeindemitglieder, denn viele haben eine Anreise von zwei Stunden Autofahrt zum Sonntagsgottesdienst. Wann und wo sonst sollen sie sich treffen, Neuigkeiten austauschen, Themen besprechen und einander bestärken, aber auch mal mit dem Pfarrer reden, ihn um Rat fragen ...? Auf die Frage nach den multinationalen Gemeinden meint Bischof Eidsvig: "Wir haben hier eine universelle Kirche - ob sie einander verstehen, weiß ich nicht, aber sie wachsen zusammen. Sie lieben einander als Gemeinde." Auf diese Weise hat die katholische Kirche einen immensen Anteil an der Integration der Einwanderer in die norwegische Gesellschaft.
Vermutlich sind nur ein Drittel der Katholiken überhaupt als solche gemeldet. Das heißt: Die Zuschüsse, die der Staat für jedes Kirchenmitglied zahlt, fließen für einen großen Teil der Katholiken der protestantischen Staatskirche zu. Dieser finanziellen Ungerechtigkeit soll bei den nächsten Wahlen abgeholfen werden: Es ist geplant, auf einem gesonderten Fragebogen die Kirchenzugehörigkeit abzufragen. Insgesamt beschreibt der Bischof die Finanzsituation der katholische Kirche in Norwegen kurz mit den Worten: "Eine sehr arme Kirche in einem sehr reichen Land."
Bewusste Glaubensentscheidung
Auch in Bodö ist das Geld für die Katholiken knapp. Der deutsche Arzt Heiner Backmann, der seit elf Jahren zusammen mit seiner Frau dort lebt, engagiert sich im Pfarrgemeinderat und unterstreicht die Eindrücke aus den südlicher gelegenen Landesteilen. Zur Pfarrei in Bodö, die einen Durchmesser von 470 Kilometern hat, gehören etwa 350 Katholiken. Für die 100 Teilnehmer am Sonntagsgottesdienst sei die Kirche auf Dauer zu klein, berichtet Backmann. Ein wenig Stolz klingt in seiner Stimme, als er erwähnt, dass das bauliche Ensemble von Kirche, katholischer Schule - übrigens die einzige katholische Schule nördlich des Polarkreises - und ehemaligem Dominikanerinnenkloster als "kleiner Vatikan" und "katholischer Stadtteil" bezeichnet werde. Den Unterschied zum Katholischsein in Deutschland nennt er "elementar": "In Norwegen müssen sich Katholiken bewusst für den Glauben entscheiden."
Von Elisabeth Meuser