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Zugunsten des Glaubens

Interdiözesanes Offizialat Erfurt feiert 30-jähriges Bestehen mit Studientag

Erfurt (mh). In Erfurt hat das Interdiözesane Offizialat sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Zur Feier gehörte ein Studientag über Eheauflösungen zugunsten des Glaubens.

Am 1. Juli 1979 gründeten die katholischen Bischöfe in der damaligen DDR ein gemeinsames kirchliches Gericht, das so genannte Interdiözesane Offizialat in Erfurt. Diese gemeinsame Einrichtung gibt es für die Bistümer Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg noch heute. Sie ist vor allem zuständig für die kirchlichen Eheverfahren. Gemeinsam mit Vertretern der vier Bistümer, Mitarbeitern in anderen Offizialaten im deutschsprachigen Raum und Interessierten feierte das Offizialat kürzlich sein 30-jähriges Bestehen. Offizial Heinz Gunkel, der an diesem Tag zum Monsignore ernannt wurde, hatte sich dafür etwas Besonderes einfallen lassen: einen Studientag zum Thema Eheauflösung "in favorem fidei" (zugunsten des Glaubens), den das Offizialat mit dem Lehrstuhl für Kirchenrecht an der Universität Erfurt gemeinsam veranstaltete.

"Die Zahl dieser Eheauflösungs- Verfahren, die wir in Erfurt führen, ist im Vergleich zu anderen Offizialaten besonders hoch. Wir haben hier also viel Erfahrung", sagt Msgr. Gunkel zum Hintergrund. Weltweit gibt es jährlich etwa 700 Verfahren, bei denen es um die Eheauflösung zugunsten des Glaubens geht, allein im Erfurter Offizialat sind es 20. Ursache dafür ist die hohe Zahl von Ungetauften im Erfurter Zuständigkeitsbereich. Und bei diesen Verfahren ist es Voraussetzung, dass mindestens ein Partner einer geschiedenen Ehe nicht getauft ist.

Kein Rechtsanspruch, sondern Gnadenakt

Referent des Studientages war Salesianerpater und Kirchenrechtsprofessor Markus Graulich. Er ist vor kurzem zum stellvertretenden Kirchenanwalt am Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur in Rom ernannt worden. Doch nach Erfurt war er als externer Mitarbeiter der vatikanischen Glaubenskongregation eingeladen, bei der die Verfahren zugunsten des Glaubens angesiedelt sind. Das macht schon einen Unterschied deutlich: Anders als die kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren, bei denen festgestellt wird, ob eine Ehe von Anfang an ungültig war und die Betreffenden dann einen Rechtsanspruch haben, dass ihre Ehe für nichtig erklärt wird und sie erneut kirchlich heiraten können, sind Eheauflösungen zugunsten des Glaubens Gnadenakte des Papstes. Darauf besteht kein Rechtsanspruch. Die Verfahren sind deshalb bei der Glaubenskongregation und nicht bei einem vatikanischen Gerichtshof angesiedelt wie die Nichtigkeitsverfahren.

Bei einer Eheauflösung zugunsten des Glaubens müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, die Graulich erläuterte: In der geschiedenen Ehe des Antragsstellers war wenigstens ein Partner bis zum Zeitpunkt der Scheidung nicht getauft. Das heißt, diese Verfahren sind auch für Katholiken möglich, die mit einem Ungetauften in einer nach den Regeln des Kirchenrechts geschlossenen Ehe lebten. Die Betreffenden haben bisher noch kein Verfahren zugunsten des Glaubens geführt. Für die geschiedene Ehe besteht keinerlei Aussicht auf Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft. Der Antragsteller beabsichtigt eine neue Eheschließung mit einem konkreten Partner in der katholischen Kirche. Er und der neue Partner sind am Scheitern der ersten Ehe nicht ursächlich schuldig. Außerdem darf es durch eine eventuelle Auflösung der Ehe nicht zu einem öffentlichen Skandal kommen.

Die Auflösung einer Ehe zugunsten des Glaubens ist eine Entwicklung des letzten Jahrhunderts. Allerdings gab es schon zu Zeiten der Urkirche und vor allem durch die Mission in Amerika die Frage, was geschieht mit der Ehe eines Mannes oder einer Frau nach der Taufe, wenn der andere Partner ungläubig bleibt. Paulus gestattet in diesem Fall die Trennung vom Partner (1 Kor 7, 10-16), äußert sich aber nicht zur Möglichkeit einer neuen Eheschließung. Erst rund 300 Jahre später heißt es in Kommentaren zu dieser Paulusstelle, dass der Betreffende im Glauben eine neue Verbindung eingehen dürfe. Es waren die Päpste des 20. Jahrhunderts, die entsprechende Kriterien entwickelt haben, nach denen heute eine Ehe zugunsten des Glaubens aufgelöst werden kann.

Seelenheil steht höher als das Gesetz

Die Kirche stelle mit diesen Verfahren nicht ihre Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe in Frage, betont Graulich. Diese Verfahren seien ein Beispiel dafür, dass das Seelenheil eines Menschen höher stehe als Gesetze. Für Offizial Gunkel ist die Frage entscheidend, worum es in diesen Verfahren geht: "Das Ziel ist nicht die Auflösung einer Ehe. Diese Verfahren sollen einem konkreten Menschen einen Neuanfang ermöglichen."

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