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Lebendiger Pilgerzug auf Jahrhunderte alter Via Regia

Straßentheaterfestival in Görlitz

Görlitz. Zum 15. Mal verwandelte sich in diesem Sommer die Stadt Görlitz für ein paar Tage zu einer großen Theaterbühne. Beim Straßentheaterfestival Via Thea war diesmal auch ein Pilgerzug auf der Via Regia zu erleben.

Zuschauer wurden zu Akteuren: Hunderte Pilgerstäbe standen für sie bereit, als beim Straßentheaterfestival in Görlitz ein Pilgerzug durch die Stadt führte.

Das seit 1995 jährlich im Sommer stattfindende Görlitzer Straßentheater Via Thea wartete in diesem Jahr mit einer besonderen Inszenierung auf: Bei den Vorbereitungen des diesjährigen Programms, die bereits vor zwei Jahren begannen, wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Vorbereitungsteam und der Regisseurin der Gruppe "Grotest Maru", Maria Berzborn, die Idee geboren, "eine Inszenierung zu erstellen, die ortsspezifisch mit Görlitzern für und in Görlitz aufgeführt wird", sagt die Leiterin des Via Thea, Christiane Hoffmann.

Durch Görlitz führt die Via Regia, eine der wichtigsten europäischen Handelsstraßen. Auf ihr verläuft auch einer der Jakobspilgerwege. Das inspirierte zu einem Stück, das beim Straßentheaterfestival zu erleben war. Das Besondere daran: Es lebte vom Mitmachen der Besucher, für die hunderte Pilgerstäbe bereitstanden.

Dabei wurden die verschiedenen Zeiten zu einem einzigen Jetzt, im Hier und Heute verschmolzen. So verwunderte es nicht sonderlich, dass neben mittelalterlich gekleideten Menschen eine Gruppe von rote Fahren schwenkenden Mitwirkenden über die Altstadtbrücke marschierten, vorbei an Kindern, die am Fuße der Peterskirche tanzten. Pilger, die beispielsweise aus Krakau oder Breslau kamen und über die Görlitzer Altstadtbrücke pilgerten, trafen als erstes die Wäscherinnen, die am Westufer der Neiße die Wäsche wuschen und bleichten. Immer wieder versuchten Dämonen oder andere heillose Wesen die Pilger zu attackieren. Eine Schar von in weiße Gewänder gekleidete Gestalten eilte, mitunter tanzten sie, zwischen die Kräfte der Finsternis und den Pilgerzug.

Unaufhaltsam, Meter für Meter, drängte der Zug weiter, an der Peterskirche vorbei zum Platz am Nikolaiturm. Immer wieder kam der Zug zum Halten, an Stätten, an denen sich Sagen von Görlitz ereignet haben sollen. Vom in farbiges Licht getauchten Nikolaiturm seilten sich in einer Abschlussinszenierung "schwebende Engel" ab, "bis sich Ängste in Wunderbares auflösten". Der Sieg des Guten ist perfekt.

Einige Zuschauer brachten während der recht lang andauernden Pilgerreise ihr Unverständnis über das Geschehen zum Ausdruck. Es war mitunter schwer zu unterscheiden, was real, was Mythos oder was gar Mysterium sein sollte. Vielleicht war aber beabsichtigt, Fragen zu stellen, um die Besucher zum selbstständigen Nachzudenken anzuregen, sie miteinander über dieses Stück ins Gespräch zu bringen. Für Interpretationen gab es ausreichend Spielraum.

Vielfarbiges Licht wurde eindrucks- und inhaltsvoll eingesetzt, um aufzuzeigen, dass überall dort, wo das Licht dominiert, die Kräfte des Dämonischen, der Finsternis, keine Macht haben. Die Dämonen, egal woher sie kamen, wichen vor den Lichtwesen und vor den Pilgern zurück, die mit solchem Schutz und gemeinsam unbesiegbar sind. Durch solche Sichtweise erhält diese interessante, internationale und völkerverbindende Inszenierung eine weitaus umfangreichere Botschaft, als von den Veranstaltern vermutlich bezweckt wurde: eine zutiefst christliche.

Von Raphael Schmidt

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