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Extremisten sind nicht wählbar

Der Leiter des Katholischen Büros Thüringen fordert die Menschen zur Teilnahme an den Wahlen auf

Erfurt. In Thüringen stehen die Landtagswahlen an. Die Wahl zum Deutschen Bundestag findet im September statt. Aus diesen Anlässen sprach der Tag des Herrn mit Ordinariatsrat Winfried Weinrich, dem Leiter des Katholischen Büros der Bischöfe in Thüringen.

Die Demokratie in der Bundesrepublik scheint müde geworden zu sein, soziale Unruhen und Aufstände werden von links bis rechts heraufbeschworen und die Wirtschafts- und Finanzkrise sorgt für stürmische See? Was sagen Sie einem Bürger, der Sie mit seiner Unsicherheit konfrontiert?

Die Unsicherheit vieler Bürger ist gegenwärtig durchaus verständlich. Papst Benedikt hat in seiner kürzlich erschienenen Sozialenzyklika "Liebe in der Wahrheit" formuliert: "Die Wirtschaft braucht für ihr Funktionieren eine menschenfreundliche Ethik." Das bedeutet für mich eine neue Kultur der Verantwortung. Wirtschafts- und Finanzwesen müssen nach ethischen Maßstäben als Werkzeuge gebraucht werden. Wir brauchen in diesen Bereichen unbedingt Transparenz, Ehrlichkeit und Verantwortung. Diese gilt es mit Nachdruck einzufordern.

Im Frühjahr starteten die katholischen Verbände, der Katholikenrat und das Katholische Büro in Thüringen die Aktion "Wählen? Na klar". Wie schätzen Sie die Wirkung ein, was wurde bisher erreicht?

Die Aktion ist in den Pfarreien des Bistums Erfurt und im Dekanat Gera gut angenommen worden. Auch alle sozialen Einrichtungen des Caritasverbandes konnten erreicht werden. Bischof Joachim Wanke hat mehrfach, insbesondere bei Wallfahrten, die Anliegen der Initiative unterstützt. Bis Ende Juli wurden zirka 30 000 Seitenaufrufe auf der Internet-Plattform www.waehlen-na-klar.de registriert. Die Initiative hat inhaltliche Diskussionen, vor allem zum Thema Demokratie, Familie, Bildung und Extremismus bewirkt, wobei der Einfluss auf die Wahlbeteiligung schwer messbar ist.

Viele wollen es bei den Wahlen "denen da oben" mal so richtig zeigen. Können Christen guten Gewissens Parteien am rechten und linken Rand wählen, beispielsweise die Linke oder NPD bzw. die DVU?

Die Programme und Ziele extremistischer Parteien sind meines Erachtens mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar und von daher sind extremistische Parteien für Christen nicht wählbar. Die Katholischen Länderbüros haben kürzlich in Schwerin ein in Auftrag gegebenes Gutachten des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik vorgestellt. Ich stehe hinter der Kernaussage des Arbeitspapiers des Berliner Instituts, die da heißt: Widerstand gegen Rechtsextremismus ist eine Christenpflicht. Wenn kommunale rechtsextremistische Parteivertreter nach den Kommunalwahlen in einer thüringischen Stadt fordern, den Ausländerbeauftragten in einen Ausländerrückführungsbeauftragten umzubenennen, zeigt das deutlich, die vom Rechtsextremismus ausgehende Missachtung der Menschenwürde und die Verletzung von Menschenrechten. Auch die abscheuliche Bedrohung des aus Angola stammenden Politikers Zeca Schall durch die NPD ist dafür ein erschreckendes Beispiel.

Die Menschen befürchten, dass es nach den Wahlen so richtig dicke kommt. Weitere Einschnitte im Sozialen, bei den Renten, Steuererhöhungen werden von ihnen befürchtet. Können Sie auf ein Veto und die Unterstützung der Kirchen hoffen?

Politische Entscheidungen haben die Politiker in eigener Verantwortung zu treffen. Aufgrund der hohen Neuverschuldung werden Sparmaßnahmen sicherlich unvermeidbar sein. Dabei müssen auch die Verursacher der gegenwärtigen Krise soweit wie möglich mit zur Verantwortung gezogen werden. Die Kirchen werden darauf zu achten haben, dass die Lasten für den Bürger nach der Leistungsfähigkeit verteilt werden. In dieser Situation gilt um so mehr die Option für die Schwachen der Gesellschaft. Die Verbindung von Subsidiarität und Solidarität muss gewahrt bleiben und darf nicht einseitig in eine Richtung aufgelöst werden.

In welchem Zustand befindet sich die Demokratie in Thüringen? Ziehen Rechtsextremisten in den Landtag ein und was sagen Sie einem Wähler, der Rechts wählen will?

Laut dem Thüringen-Monitor, eine Umfrage der Universität Jena, ist seit 2004 ein Rückgang rechtsextremer Einstellungen (von 23 Prozent auf 15 Prozent) zu beobachten. Vier von fünf Thüringern befürworten die Idee von Demokratie. Die Zufriedenheit mit der Demokratie hat in den letzten Jahren wieder zugenommen (derzeit knapp 50 Prozent). Unsere Demokratie braucht selbstbewusste Demokraten und möglichst viele Informierte und der Demokratie verbundene Wähler. Dann werden auch die Rechtsextremen nicht in den Thüringer Landtag einziehen.

Welche Werte sind für Sie persönlich wichtig?

Mit Blick auf unser demokratisches Gemeinwesen und die anstehenden Wahlen halte ich es für besonders wichtig, Mut zu haben, die Wahrheit auch dann zu sagen, wenn sie nicht gern gehört wird. Darüber hinaus schätze ich die Bereitschaft, um des Gemeinwohls willen auch Risiken einzugehen, auch das scheinbar größte Risiko einer Wahlniederlage. Wichtige Tugenden der Demokratie sind eine Standfestigkeit, die nicht Unbelehrbarkeit sein darf sowie eine Fairness im Umgang mit dem politischen Gegner, auch wenn das Gegenteil kurzfristig Vorteile brächte. Demokratie braucht Tugenden beim zu Wählenden, beim Wähler und auch bei den Medienmachern.

Fragen: Holger Jakobi

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