Schauen, Denken und Beten
Spirituelle Orte: Quedlinburg
Quedlinburg. Der Ort hat es in sich. Die frühe Geschichte der Deutschen, ihr Leben und Finden zu einer Nation sind hier erfahrbar. Und Quedlinburg ist ein spiritueller Ort, der über ein Jahrtausend hinweg bis heute ausstrahlt.
Sonntag zur späten Nachmittagszeit. Die Sonne erhellt von Südwesten das Kirchenschiff der St.-Servatii-Stiftskirche auf dem Quedlinburger Schlossberg. Nachdenklich, in sich versunken sitzen die Besucher an den verschiedensten Plätzen - im Chor, auf den Stufen oder den Stühlen. Einige bleiben zehn Minuten, andere halten es eine halbe Stunde auf ihren Plätzen aus. Die Herumgehenden stören nicht. Die Stiftskirche wirkt auf die Menschen.
Liudolfinger eng mit dem Ort verbunden
Ähnlich in der benachbarten St.-Wiperti-Kirche, die zur katholischen St.-Mathilden-Gemeinde gehört. Hier ist es besonders die Krypta, die zu Stille und Gebet einlädt. Die Zeit vergeht, aber sie läuft nicht davon. Die diensthabende Aufsicht lächelt auf die Frage, ob es ihr denn in St. Wiperti nicht schnell langweilig werde. "Eigentlich nicht. Man kann schauen, nachdenken, lesen und ich kann beten", sagt die junge Frau.
St. Servatii und St. Wiperti sind zwei Kirchen, deren Geschichte bis in die Zeit der Liudolfinger - der späteren Ottonen - zurückreicht. Die Luidolfinger waren das einzige nord- und ostdeutsche Geschlecht, das es je zu deutscher Königswürde und Kaiserschaft gebracht hat. Ihre Heimat ist die im alten sächsischen Stammesgebiet liegende einstige Mark Gandersheim. Einige Vertreter der Familie wurden in der Gandersheimer Stiftskirche beigesetzt.
Im Jahr 919 wurde Herzog Heinrich (876 bis 936) als erster Deutscher von den Vertretern der Stämme zum König des damaligen Ostfränkischen Reiches gewählt. Danach verlässt Heinrich zusammen mit seiner Frau Mathilde die Region Gandersheim. Seine Lieblingspfalz wird Memleben, aber auch auf dem Quedlinburger Königshof - der sich bei der Wipertikirche befand - hielt sich der König gern auf. Mit Geschick vergrößerte König Heinrich sein Machtgebiet, gründete neben Stiften und Klöstern die Burg Meißen und stellte sich den einfallenden Horden der Ungarn entgegen. Dem König gelang es in dieser Bedrohung die Stämme zusammenzuhalten. In der sagenumwobenen Schlacht von Riade an der Unstrut besiegten die Deutschen unter Heinrich erstmals die kriegerischen Ungarn. Ein Sieg der Heinrichs Stellung im Reich festigte. Sein Sohn Otto I., der sich auf dem Lechfeld bei Augsburg erneut den Ungarn stellen musste, konnte auf dem Erreichten seines Vaters aufbauen und die Deutschen zur Nation zusammenführen. Nach seinem Tod in der Pfalz Memleben wurde König Heinrich in der Quedlinburger Stiftskirche beigesetzt. Sein Grab in der Krypta ist heute allerdings leer.
Es macht die herausragende Verbindung zur Geschichte aus, die Quedlinburg bis heute prägt: Generationen von Frauen und Männern fanden im Ort Heimat und erfüllten die beiden alten Kirchen, die in den zurückliegenden Jahren saniert und restauriert wurden, mit Leben.
St. Wiperti wurde Heimat katholischer Christen
Für St. Wiperti beispielsweise macht sich ein Förderverein stark. Doch bereits im Jahr 1959 begannen katholische Christen sich für die Kirche einzusetzten. Nach der Schuttberäumung und anderen notwendigen Arbeiten, wurde sie im April 1959 als katholische Kirche neu geweiht. Heute feiert die Gemeinde ihre Sonntagsgottesdienste in der Kirche und im Advent wird zu Roratemessen in die Krypta eingeladen. Daneben ist es dem Förderverein und der Gemeinde wichtig, das Gotteshaus und seine Krypta als Gebetsort zu erhalten. Menschen sollen sich an diesem über 1000-jährigen Ort zu ihrer ganz persönlichen Zwiesprache mit Gott eingeladen fühlen.
Infos im Internet unter www.wiperti.de