Aufbruch in die Gotik
Landesausstellung gibt vielfältige Einblicke in Glauben und Leben im 13. Jahrhundert
Magdeburg. Am 30. August wurde in Magdeburg die Ausstellung "Aufbruch in die Gotik" eröffnet. Die Schau über die späte Stauferzeit wird zum 800. Jahrestag der Grundsteinlegung des gotischen Domes gezeigt. Sie bietet einen Überblick über Glaubensleben, Politik, Architektur, Kunst, Wissenschaft, städtisches Leben und Weltbild in der Umbruchszeit bis etwa 1250.
Am Karfreitag 1207 zerstört ein Stadtbrand den von Kaiser Otto I. (reg. 936/62 - 973) gestifteten Magdeburger Dom. Erzbischof Albrecht von Käfernburg (amt. 1205 - 1232) lässt die Ruine bald abtragen, um einen neuen Dom zu bauen. Albrecht hat in Paris und Bologna studiert und will die neue Kathedrale, die wieder das Grab Ottos des Großen aufnehmen wird, im aus Frankreich kommenden Stil der Gotik errichten.
Hier setzt die Ausstellung "Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit" an, die seit kurzem im Kulturhistorischen Museum in der Elbestadt zu sehen ist. Sie will den Besucher zu einer Entdeckungsreise in eine Zeit einladen, in der sich die Welt des mittelalterlichen Menschen grundlegend veränderte, wie Museumsdirektor Professor Matthias Puhle und Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz vor Journalisten sagten. Für die auf 1000 Quadratmetern gezeigte Ausstellung des Landes Sachsen- Anhalt wurden rund 400 Exponate aus Europa und den USA zusammengetragen.
Der 1209 begonnene Magdeburger Dom ersetzte den abgebrannten Vorgängerbau. An den Kaiserdom Ottos des Großen und seine reichspolitische Bedeutung (Magdeburg als das neue Rom) wird zu Beginn der Ausstellung erinnert. Dabei werden auch Ergebnisse der langjährigen und andauernden Forschungsarbeiten zum Dom präsentiert. So ist erstmals der im Herbst 2008 in der Magdeburger Kathedrale aufgefundene Bleisarg öffentlich zu sehen, in dem seit 1510 die mutmaßlich sterblichen Überreste von Königin Editha, Frau Kaiser Ottos I., bestattet waren.
Auch der neue Dom steht für große Geschichte
"Neuerung und Erinnerung" ist eine zweite Abteilung der Ausstellung überschrieben. Hier werden der am frühesten begonnene gotische Kathedralbau in Deutschland und seine Aufgaben sowie die möglichen Vorbilder vorgestellt. In den neuen Dom, der neben gotischen auch sächsisch-romanische Bauelemente aufweist, wurden antike Säulen integriert, die Otto I. für das in seiner Zeit entstandene Gotteshaus aus Italien hatte heranschaffen lassen. So wurde an die große kaiserliche Vergangenheit angeknüpft. Früheste überlieferte Bauzeichnungen etwa aus Paris und Straßburg und Miniaturen machen mit der aus Frankreich übernommenen Baukunst der Gotik bekannt. Frühgotische Glasmalerei, Bauskulpturen und Bauornamentik aus Deutschland und Frankreich stehen für das handwerkliche Können.
Gegenstände der Liturgie sind zum Thema "Gottesdienst und Gegenwart der Heiligen" zusammengetragen: Reliquiare wie das Kästchen für einen Finger der heiligen Katharina (St.Michael, Altshausen), der Mitpatronin des Magdeburger Doms, kostbare gestaltete Bücher, Altargemälde oder Glocken zeugen von der liturgischen Praxis.
Aufblühen von Wissenschaft Kunst und Rechtspflege
Der "Entfaltung von Kunst, Wissen und Recht" widmet sich ein weiterer Bereich. Hohe Würdenträger in Kirche und Welt erfuhren ihre Ausbildung an den neu gegründeten Universitäten von Bologna und Paris und brachten Kultur und Wissen in ihre Heimat mit. Mit vielen Bildern geschmückte kostbare Psalter und Evangeliare demonstrieren die Kunst sächsischer Buchmalerei, wie sie auch in Magdeburger Scriptorien gepflegt wurde. Aus dem 13. Jahrhundert stammende Kelche stehen für die Goldschmiedekunst. Von der Verschriftlichung des Rechts zeugt der zwischen 1220 und 1235 verfasste Sachsenspiegel Eike von Repgows (Urfassung nicht erhalten). Dem bedeutendsten deutschen Rechtsbuch des Mittelalters wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zu sehen sind die Kopenhagener Fragmente (um 1250), eine Handschrift sowie die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (beide um 1300).
Unter Kaiser Friedrich II. (reg. 1220 - 1250) verlagerte sich das politische Gewicht vom Kaiser auf die Landesherren, die ihr Land ausbauten, Burgen errichten ließen und Städte förderten. Dafür stehen Urkunden, Bücher, Siegel und Münzen. Wie die Menschen des 13. Jahrhunderts über die Welt dachten, wird ebenfalls thematisiert. Von der griechischen Antike hatte man die Vorstellung übernommen, die ruhende, kugelförmige Erde befände sich in der Mitte des Kosmos. Von der göttlichen Schöpfung nahmen Raum und Zeit ihren Ausgang und in seinem Heilsplan erfüllten sie sich. So beschreiben es die Weltchroniken der Zeit, von denen einige gezeigt werden.
Zudem kommt das Entstehen selbstbewussten Lebens in den sich entfaltenden Städten zur Sprache. Das Geldwesen hält Einzug, wie anhand von Funden zu sehen ist. Neben den Waren des täglichen Bedarfs werden von den Handwerkern und Kaufleuten auch Luxusartikel angeboten.
1520 erst war der neue Magdeburger Dom mit der Weihe der Türme vollendet - ein Gotteshaus mit wunderbaren Skupturen wie dem Jungfrauenportal und dem thronenden Herrscherpaar, mächtigen Pfeilern und einem prächtigen Westwerk. Wer die Ausstellung im Museum anschaut, kann und muss den nur ein paar Schritte entfernten Dom besuchen, um am Original den Aufbruch in die Gotik zu vollziehen.
Von Eckhard Pohl