Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Es ist ein lebendiges Licht

In einer Kerzenfabrik in Ebersbach in Sachsen werden seit 60 Jahren Kerzen produziert

Wo kommen denn die Kerzen her - der Tag des Herrn hat nachgefragt. Axel Thost ist Geschäftsführer einer Kerzenfabrik in Ebersbach.

Axel Thost vor Kerzenmodellen der letzten 60 Jahre: Grablichter kaufen nur Katholiken

Trist wirkt das Industriegelände. Romantisch oder kuschelig ist das Werk im Bergland der Oberlausitz überhaupt nicht. Es duftet auch nicht nach Bienenwachs. Die Dame im Werksverkauf begrüßt ihre Kunden in der typischen Mundart - mit dem rollenden "R", wie es das sonst nur noch in Franken gibt - und weist den Weg in die Verwaltung. Hinter grauen Fabrikgebäuden versteckt sich der kleine Verwaltungstrakt, in dem Axel Thost seit 35 Jahren arbeitet. Der 57-Jährige kam als junger Chemiker in die Kerzenfabrik. Damals war sie noch ein Teil des VEB Petrolchemisches Kombinat und eine von vier Kerzenfabriken, die es zu DDR-Zeiten gab.

"Wie werden denn Kerzen hergestellt?", ist die erste Frage, die ich dem Geschäftsführer der Ebersbacher Kerzenfabrik stelle und auf die eine ernüchternde Antwort kommt. Nein, mit dem Kerzenziehen sei die Nachfrage nach Kerzen überhaupt nicht zu befriedigen. Es gebe noch zwei andere Verfahren, um Kerzen herzustellen: Das Gießen und das Pressen.

Das Gießen sei eine bekannte Methode und das könne zuhause auch jeder machen, sagt Thost, um dann zu erklären, wie man Kerzen in der Industrie herstellt. Kerzen würden in Maschinen gepreßt, berichtet er inmitten von hunderten Kerzen, die im Musterraum ausgestellt sind. Stearin-Flocken sind der Grundstoff, aus dem Kerzen gemacht werden. Die kommen LKW-weise aus Öl-Raffi nerien nach Ebersbach.

Als Lichtquelle ist die Kerze tatsächlich überfl üssig


Obwohl die Kerze eigentlich überfl üssig ist, weil das Licht die Glühlampe macht, werden Jahr für Jahr Milliarden Kerzen produziert. Allein in Ebersbach ist es jährlich eine zweistellige Millionenzahl, die die Werkshallen verlässt.

Axel Thost bestätigt: "Als Lichtquelle ist die Kerze tatsächlich überfl üssig." Aber auch der Kerzenprofi schätzt die Atmosphäre, die Kerzen machen. Warum das so ist, dass man sich eine Kerze anmacht, wenn man es gemütlich haben will, weiß auch Axel Thost nicht. Aber Weihnachten und die Adventszeit sind für ihn ohne Kerzen nicht vorstellbar. "Pyramide, Leuchter, Weihnachtsbaum, Adventskranz", zählt er auf, um nur die häufi gsten Verwendungen seiner Produkte in der Weihnachtszeit aufzuzählen. Die elektrischen Lichterketten, die an vielen Bäumen hängen, begeistern ihn ganz offensichtlich nicht. Und es gibt noch einen direkten Konkurrenten, der Kerzenmachern das Leben schwer macht. "Öllampen gefallen uns nicht so gut. Uns wäre es lieber, wenn die Leute Kerzen kaufen würden."

Eines aber hat die Kerze mit der Öllampe gemein. "Sie macht ein lebendiges Licht," sagt Axel Thost. Das sei seiner Meinung nach der Grund, warum auch im Zeitalter der elektrischen Beleuchtung noch immer Kerzen verkauft werden.

16 Festangestellte arbeiten in der Kerzenfabrik. Im Augenblick ist es eher ruhig. Die einzige Schicht des Tages ist gerade zu Ende. Im Sommer ist das ganz anders. Dann wird in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Saisonkräfte unterstützen die Produktion. Im Juni geht es los mit der Weihnachtsproduktion: Baumkerzen, Stumpen, mit Perlen verzierte Kerzen, bedruckte Kerzen, Kerzen mit Reliefdarstellungen.

Grablichter sind ein Hauptprodukt


Axel Thost spricht auch von einer "Vielzahl von Anwendungsgebieten im kirchlichen Bereich". Tatsächlich sind Grablichter eines der Hauptprodukte der Ebersbacher Kerzenfabrik. Sie werden vor allem im Oktober und November fast ausschließlich in katholischen Regionen Deutschlands verkauft. Und Axel Thost bedauert, dass rundherum die Gegend eher protestantisch geprägt ist und er vor der eigenen Haustür kaum Grablichter verkauft.

"Wenn Sie in Bayern nachts eine helle Stelle in der Landschaft sehen, ist es höchstwahrscheinlich ein Friedhof, auf dem hunderte oder tausende Grablichter brennen", berichtet der 57-Jährige begeistert. Aber auch die Kirchen machen ihm hin und wieder einen Strich durch die Rechnung. "Ich habe schon gesehen, dass Opferlichte vor Heiligenfi guren durch Automaten ersetzt wurden. Da wirft man 50 Cent rein und dann leuchtet eine Glühbirne." Es graust Axel Thost sichtlich, wenn er an die elektrische Heiligenverehrung denkt.

Seit 6o Jahren werden in Ebersbach Kerzen produziert. Und kurz nach dem Krieg ging es den Käufern überhaupt nicht um eine angenehme Atmosphäre. Axel Thost steht vor einem Regal, in dem Produkte der letzten Jahrzehnte ausgestellt sind. Auch das allererste Produkt der Firma gibt es noch zu sehen. Ein kleines rundes Pappförmchen mit einer schmutzigschwarzen Masse und einem Lumpendocht. "Die Leute brauchten einfach Licht", sagt Axel Thost.

Die Ebersbacher Kerzenfabrik hat Werksverkäufe in Gotha und Ebersbach. Kontakt: Telefon 0 35 86 / 78 20 oder im Internet unter www.jeka.com

Von Markus Kremser

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps