Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Erste Hilfe für die Seele

Bernd Lattig ist Teamleiter der Notfallseelsorge für Cottbus und den Spree-Neiße-Kreis

Cottbus. Seit zehn Jahren kümmern sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Notfallseelsorge um Menschen in Ausnahmesituationen. Der Tag des Herrn sprach mit Bernd Lattig, dem Leiter des Teams.

Notfallseelsorger Lattig

Herr Lattig wie kamen Sie zu Ihrer Aufgabe?

In der Folge der Großschadensereignisse von Ramstein 1988 und Eschede 1998 wurden von Seiten der Innenministerien der Länder Wohlfahrtsverbände, Kirchen und ähnliche Institutionen angefragt, eine Notfallseelsorge/Krisenintervention aufzubauen. Minister Jörg Schönbohm war ein eifriger Verfechter dieser Idee, mit dem Ergebnis, dass heute in allen Landkreisen Brandenburgs, Notfallseelsorgeteams rund um die Uhr einsatzbereit sind.

Wie erleben Sie Ihre Arbeit und wie wurden Sie darauf vorbereitet?


Durch meine frühere Tätigkeit als Sozialarbeiter und Ehe -, Familien- und Lebensberater bei der Caritas kam ich ja schon immer mit menschlichen Problemen unmittelbar in Berührung. Die Konfrontation mit Hinterbliebenen, die soeben einen lieben Angehörigen verloren haben, bildet aber noch einmal eine besondere Herausforderung. Vor Ort entscheidet der Notarzt, der Einsatzleiter von Polizei oder Feuerwehr, ob ein Notfallseelsorger zu seiner Unterstützung hinzugezogen werden soll. Die intensive Grundausbildung an der Rettungsschule in Bad Saarow sowie Aufbaukurse gaben das nötige Rüstzeug. Als Teamleiter habe ich dazu für ständige Fort -und Weiterbildungen Sorge zu tragen.

Nun nennen Sie sich Notfallseelsorger. Wie kommt der Begriff "Seelsorge" in unserer atheistischen Umwelt an?

Ja, wir leisten eigentlich Erste Hilfe für die Seele. Polizei und Rettungskräfte haben beim Einsatz andere Aufgaben zu erfüllen, weshalb der Notfallseelsorger als Ergänzung ihrer Arbeit größtenteils gern gesehen ist und voll akzeptiert wird. Kirche wird heute in der Öffentlichkeit nur noch gering wahrgenommen. Die Notfallseelsorge als christlich orientierte Einrichtung erfüllt einen wichtigen Beitrag in der Umsetzung der christlichen Nächstenliebe. Nach einem plötzlichen Ereignis mit Todesfolge bieten wir seelischen Beistand an. Es stehen Fragen im Raum über das unfassbare Ereignis, auf die es zunächst keine Antwort gibt. Der schockierten Seele unseres Gegenübers versuchen wir unspektakulär, ohne viele Worte Hilfe zu sein und den Schmerz ein Stück mitzutragen.
Seelsorge hat etwas mit Religion zu tun.

Sind die zu Ihrem Team gehörenden Notfallseelsorger alle religiös gebunden?

Nein, nicht alle. Wir sind im Team 13 ehrenamtliche Mitarbeiter. Davon sind drei katholische Laien. Unter den evangelischen Mitarbeitern sind auch Pastoren, was eine wesentliche Bereicherung für das Team ist. Gleiches wünschte ich mir von katholischer Seite. Die wenigen Nichtchristen gehen aber mit solch einer liebevollen Grundeinstellung an die Aufgabe, von der sich mancher Christ inspirieren lassen könnte.

Welches sind Ihre häufigsten Einsätze?

In 70 Prozent aller Einsätze haben wir zusammen mit einem Polizeibediensteten Todesnachrichten zu überbringen. Wenn der Polizist von dort direkt zu einem nächsten Einsatz gerufen wird, ist der Notfallseelsorger mit den schockierten, oft genug traumatisierten Angehörigen erst einmal allein. Ein Gebet wäre dann sehr hilfreich, um Anknüpfungspunkte zu haben. Aber vorsichtige Anfragen auf einen religiösen Hintergrund der Betroffenen laufen leider oft ins Leere.

Zehn Jahre Notfallseelsorger, wird da manches zur Routine?

Überhaupt nicht, jede Situation ist anders. Jeder Mensch reagiert anders. Ich bin selbst immer auch innerlich wachsam, wenn ich gerufen werde. Ein Stoßgebet hilft dann gegen die Anspannung. Ein besonders schwieriges Gebiet ist Beispielsweise der Suizid. So ein Schicksal macht Angehörige außergewöhnlich betroffen. Oder, Kinder am Unfallort, sie brauchen besondere Betreuung. Je jünger die Verunfallten desto dramatischer ist die Situation im familiären Umfeld und umso schwieriger gestaltet sich oft dann der Einsatz.

Wie Sie sagen, geht so ein Einsatz auch an Ihnen nicht spurlos vorüber. Wer hilft Ihnen?

Unser Team gestaltet regelmäßig Fallbesprechungen und Supervision, um schwierige Einsätze psychologisch aufzuarbeiten. Polizei und Rettungskräften bieten wir Fortbildungen an, um sie über die Arbeit der Notfallseelsorger zu informieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, selbst über ihre Einsätze zu sprechen.

Werden Sie und Ihre Mitarbeiter von einem Seelsorger betreut? Gibt es im Bistum Ansprechpartner?

Leider nein. Ich wünschte mir sehr einen einfühlsamen katholischen Theologen an unserer Seite.

Fragen: Klaus Schirmer

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps