Ein Ort mit Geschichte
Spirituelle Orte: Der Hülfensberg im Eichsfeld
Von Matthias Holluba
Hülfensberg. Der Hülfensberg im thüringischen Eichsfeld, direkt an der Grenze zu Hessen gelegen, ist heute wieder einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Region. Aber auch, wer nicht zu einer der großen Wallfahrten hierher kommt, findet einen Ort, an dem er geistlich auftanken kann.
"Es vergeht kein Tag, an dem nicht Pilger auf den Berg kommen. Einzelne, kleine Gruppen und zwei- oder dreimal pro Woche auch ganze Reisebus-Gruppen", berichtet Bruder Rolf Fleiter. Er ist einer der vier Franziskaner, die auf dem Hülfensberg leben und diesen Ort, dessen christliche Bedeutung wohl bis in die Zeit der Missionierung des Bonifatius zurückreicht, heute prägen.
Der 448 Meter hohe Hülfensberg, der das Bild der Gegend prägt, ist seit Jahrhunderten ein christlicher Wallfahrtsort. Schon vorher diente er den Heiden als Kult- und Begräbnisstätte. Die Legende erzählt, dass Bonifatius hier im Jahre 724 die Donar-Eiche gefällt hat. Das soll er mit Hilfe der Frauen der Gegend getan haben, die den Plan ihrer Männer vereitelten, Bonifatius zu ermorden. Die Frauen versprachen sich vom christlichen Glauben ein besseres Leben. Aus dem Holz der Eiche soll Bonifatius die erste Kirche erbaut haben und noch heute soll davon in der Wallfahrtskirche etwas vorhanden sein.
Dass der Apostel der Deutschen tatsächlich auf dem Hülfensberg war, ist historisch nicht nachweisbar. Dennoch spielt der Ort für die Christen in der Region seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Der wichtigste Grund dafür ist das Gnadenbild, das romanische Kreuz, das seit 1360 auf dem Berg nachweisbar ist. Das Kreuz ist aber deutlich älter. Untersuchungen in den letzten Jahren haben ergeben, dass das Holz zwischen 1050 und 1100 geschlagen wurde, 100 Jahre früher als bisher angenommen.
"Alle, die aus religiösen Gründen hierher kommen, gehen zum Kreuz", sagt Bruder Rolf über die Bedeutung des Gnadenbildes. Es zeigt den gekreuigten Christus - wie in der Romanik üblich - nicht als leidenden Schmerzensmann, sondern als triumphierenden König. Und wer genau hinschaut, kann die Andeutung eines Lächelns im Gesicht entdecken. "Einzigartig für ein romanisches Kreuz", sagt Bruder Rolf. Dem Kreuz verdankt der Berg nicht nur seine Bedeutung, sondern auch seinen Namen. Das lateinische Sanctus Salvator wurde im Deutschen mit Sankt Gehülfe (heiliger Helfer) übersetzt. Seit 1850 heißt der Berg Hülfensberg. Hilfe haben die Menschen mit ihrer Sorgen und Nöten bei dem Kreuz gefunden. Auch heute beobachten Bruder Rolf und die anderen Franziskaner, wie Menschen mit ihren Anliegen auf den Berg kommen und um Hilfe bitten oder für erwiesene Hilfe Dank sagen.
Besonders zu den vier großen Wallfahrten füllt sich der Berg mit Menschen (Hochamt jeweils 10 Uhr): Bittwallfahrt (Sonntag vor Christi Himmelfahrt), Haupt-Wallfahrt (Dreifaltigkeitssonntag), Johanneswallfahrt (Sonntag um das Fest Johannes des Täufers am 24. Juni) und Michaelswallfahrt (letzter Sonntag im September). Daneben finden von Mai bis Oktober an jedem Mittwoch Wallfahrtstage statt (heilige Messe um 16 Uhr).
In den letzten Jahren sind auch neue Traditionen entstanden. Sie hängen zum einen mit der Geschichte des Berges zu DDR-Zeiten zusammen, der damals in der 500-Meter-Zone der DDR-Grenzanlagen lag. Die Teilnahme an den Wallfahrten musste genehmigt werden. Nur Eichsfeldern, die selbst im Grenzgebiet wohnten, wurde das in der Regel gestattet. Jugendlichen (zwischen 13 und 26) und Geschiedenen wurde die Teilnahme wegen Fluchtgefahr verweigert. Am 3. Oktober gibt es jetzt in jedem Jahr eine Wallfahrt am Tag der Deutschen Einheit, die an der Kapelle der Einheit in Hessen beginnt und nach einer Prozession auf dem Berg endet.
Andere neue Traditionen haben einen ökumenischen Schwerpunkt. So gibt es jährlich einen mehrtägigen ökumenischen Pilgerweg und am Samstag vor Dreifaltigkeit einen ökumenischen Pilgertag.
Der Hülfensberg ist nicht nur Ziel für Christen, die die Ansammlungen großer Pilgergruppen mögen. Auch wer als Einzelner spirituell auftanken möchte, findet hier Ruhe und Besinnung. Denn neben den Wallfahrten haben die Franziskaner das Mitleben für interessierte Christen und Nichtchristen in ihrem Kloster zu einem Schwerpunkt gemacht. "Dieses Angebot nutzen jährlich etwa 250 Menschen", berichtet Bruder Rolf. Sie finden hier manches, was dem modernen (Stadt-)Menschen fremd geworden ist. Bruder Rolf: "Einen regelmäßigen Tagesablauf mit Zeiten der Stille und des Gebetes, die Ruhe des Berges und die Begegnung mit der Natur als Spur Gottes."
Mehr Infos: www.huelfensberg.de