Religion in die Öffentlichkeit übersetzen
Symposium über die Chancen von Ausstellungen sakraler Kunst und Gegenstände
Religion und Religiosität spielen in der aktuellen kulturellen und politischen Öffentlichkeit und im privaten Raum durchaus eine Rolle. Man denke etwa an die Diskussion um den Bau von Moscheen, die Vielfalt esoterischer Literatur- und Wellness-Angebote oder die regelmäßig vollen Kirchen am Heiligen Abend. Präsentationen religiöser Kunst sowie gottesdienstlicher und alltags-religiöser Gegenstände in Museen haben damit eine Bedeutung, die über (kunst)historische und kulturelle Zusammenhänge hinausreicht. "Religion ausstellen" war Ende Oktober eine Fachtagung überschrieben, bei der es um Perspektiven der Präsentation und Kommunikation christlicher Inhalte und Objekte in Museen und Ausstellungen ging. Dazu hatte das Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik an der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg gemeinsam mit dem Evangelischen Diakonissenhaus Berlin-Teltow-Lehnin in das ehemalige Zisterzienserkloster Lehnin eingeladen.
Organisator war der Hallenser katholische Theologe Harald Schwillus. Der Religionspädagoge möchte Christentum, Glauben und Religion in die aktuelle kulturelle Öffentlichkeit übersetzen, um "das spezifi sch Christliche des Glaubens sowohl als Anfrage an andere Weltbilder als auch an vermeintlich einfache Antworten im Bereich von Glaube und Religion anzubieten", wie er in seinem Referat betonte. Dabei werde etwa gegen den verbreiteten Esoterik- und Wellness-Markt auch deutlich, dass "das spezifi sch Christliche keine Wohlfühlreligion ist". Ort und Bedeutung des Religiösen seien in der kulturellen Öffentlichkeit umstritten und müssten stets neu verhandelt werden. Raum dafür böten die Medien, die institutionalisierte Bildung in Schule und Hochschule, zudem Politik und Kultur. "Einen besonderen Ort kultureller Kommunikation über Religion und Christentum bildet das Museum beziehungsweise die Ausstellung. Denn bei beiden verdichten in einer bewusst inszenierten und zur Refl exion auffordernden Kommunikationssituation die Probleme, Bedingungen und Chancen des gesellschaftskohärierenden (des mit der Gesellschaft zusammenhängenden) Diskurses."
Anliegen von Schwillus ist es deshalb, die Theologie - hier konkret die Religionspädagogik - "noch stärker als bislang in der kulturellen Öffentlichkeit als selbstverständlichen Dialogpartner zu etablieren". "Das heißt, wir müssen bei der Realisation von Ausstellungsprojekten von der Idee bis zur Umsetzung interdisziplinär, ja sogar transdisziplinär, also jenseits der Grenzen des eigenen Faches zusammenarbeiten", so der Hochschullehrer.
"Religiöse Traditionen stellen aufgrund ihrer Riten und unterschiedlichsten Sprach- und Ausdrucksformen unschätzbare und nicht zu ersetzende ,Speicherbausteine‘ dar, in denen sich humanisierende Lebensformen gleichsam eingenistet haben." Darauf wies der Aachener Religionspädagoge Guido Meyer hin. Vertreter humanistischer und biblischer Traditionen seien sich "zunehmend darin einig, dass ohne dieses Erinnerungsvermögen langfristig nicht nur die Würde des Menschen, sondern in absehbarer Zeit auch sein Status als Sozial- und Kulturwesen auf dem Spiel steht". Stellvertretend hätten der Philosoph Jürgen Habermas für den deutschsprachigen Kulturkreis und der Soziologe Marcel Gauchet für den französischen Raum "in letzter Zeit des Öfteren darauf hingewiesen, dass sich die säkulare Vernunft nicht von den ,wichtigen Ressourcen‘ religiöser Sinnstiftungen, aus denen sie dereinst selbst entstanden sind, abschneiden darf".
Von drei "außergewöhnlichen Ausstellungserfolgen als steuerlich geförderte Sinnsuche in einem Stadtmuseum" berichtete exemplarisch der Leiter des Stadtmuseums Erfurt, Harry Eidam. Die Einrichtung hatte Ausstellungen über Bonifatius, Radegunde und Meister Eckhart gezeigt. Von der Herangehensweise, Religion auszustellen, sprach am Beispiel der Ausstellung über Mechthild von Magdeburg im Kulturhistorischen Museum Magdeburg der Berliner Ausstellungsdesigner Reinhard Meerwein. Sein Kollege Albrecht Ecke, ebenfalls aus Berlin, sprach über die Bedeutung räumlichsinnlicher Erfahrungen bei der musealen Präsentation. Ecke hat die Ausstellung über die Zisterzienser im Kloster Lehnin gestaltet, die sich die Tagungsteilnehmer gemeinsam mit Museumsleiter Stefan Beier anschauten. Der Hallenser Philosoph Florian Klingele untersuchte, "was der Benutzer aus Bildgegenständen macht".
Domkapitular Jürgen Lenssen vom Würzburger Museum am Dom machte deutlich, dass ein kirchliches Kunstmuseum eindeutig in der heutigen Gesellschaft einen Verkündigungsauftrag hat. Zugleich sprach er sich nachdrücklich gegen eine Verkitschung von Religion und Kunst aus. Zuvor hatte Professor Christoph Stiegemann vom Diözesanmuseum Paderborn eine Positionsbestimmung des kirchlichen Museums vorgenommen. Die Dresdner Kunsthistorikerin Anne Schaich betonte, dass Werke christlicher Kunst in Ausstellungen um ihres adäquaten Verständnisses willen nicht nur als reine Kunstobjekte gezeigt werden dürfen, sondern immer auch als Medien, die den Glauben repräsentieren.
"Es geht bei einem Engagement der Theologie bei Ausstellungen nicht darum, Menschen zum Glauben zu überreden, wohl aber sie mit dem Gut des Glaubens in Berührung zu bringen", sagt Harald Schwillus. Ausstellungen würden gemacht, um den Menschen hier und heute etwas zu sagen, nicht nur, um vergangene Epochen darzustellen. Deshalb gehöre bei entsprechenden Exponaten auch die Theologie in das Team der Ausstellungsmacher. Dies gelte im Übrigen nicht nur für große Kunstausstellungen. Schwillus sieht sich als Religionspädagoge auch in der Pfl icht, wenn Kirchengemeinden Beratung bei der Vorbereitung einer kleinen Präsentation ihrer Geschichte oder Schätze etwa zum Gemeindefest oder zum Tag des offenen Denkmals benötigen.
Hinweis
Mehr zum Thema zum Beispiel unter www.museum-am-dom.de Über das Symposium erscheint in der Reihe "Religionspädagogik im Kontext" (herausgegeben von Guido Meyer und Harald Schwillus) unter dem Titel "Religion ausstellen" beim Logos-Verlag Berlin eine Dokumentation.
Von Eckhard Pohl