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Menschenwerk und Gottes Wunder

Der Heiligenstädter Josef Stützer über die Friedliche Revolution 1989/90 im Eichsfeld

Heiligenstadt. Die Begeisterung für die Friedliche Revolution im Herbst 1989 ist für den Kunsttischler und Holzbildhauer Josef Stützer (86) aus Heiligenstadt lebendig geblieben. Seit nunmehr 20 Jahren engagiert er sich für die Demokratie in Thüringen.

Der heute 86-jährige Kunsttischler und Holzbildhauer Josef Stützer hat sich aktiv an der Friedlichen Revolution im Eichsfeld beteiligt.

"Und setzt ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gegeben sein." So lautet eine der Maximen von Josef Stützer aus Heiligenstadt, die ihm in den Wendezeiten 1989/90 besonders Kraft und Mut gegeben hatte. Gemeinsam mit anderen Christen engagierte er sich in der Demokratischen Initiative, die sich für die staatliche Einheit Deutschlands einsetzte. Zuvor war Josef Stützer beim Neuen Forum aktiv, für dessen Zulassung er sich als einer der ersten im Eichsfeld einsetzte. Allerdings verließ er das Neue Forum wieder, als es sich immer stärker für einen eigenständigen DDR-Weg einsetzte.

Demokratische Initiative machte Vorschläge

Anstoss für die Bildung der Demokratische Initiative war ein Hirtenbrief des damaligen Magdeburger Bischofs Johannes Braun, der am 23. und 24. September veröffentlicht wurde. Braun forderte darin, getragen von der Sorge, dass immer mehr gut ausgebildete Bürger die DDR verließen und an wichtigen Stellen fehlten, mehr Reisefreiheit und Demokratie: "Wir müssen Missstände beseitigen, um eine demokratische Gesellschaft zu schaffen, in der sich möglichst alle Menschen wohlfühlen können." In ihrem Antwortschreiben vom 3. Oktober unterstützte die Eichsfelder Gruppe den Aufruf Brauns und machte eigene, weiterführende Vorschläge.

Ein weiterer Höhepunkt der Wende im Eichsfeld war der Schweigemarsch am 15. Oktober. Angemeldet war für diesen Tag eine abendliche Prozession im Zuge der Gemeindeerneuerung hin zur Pfarrkirche St. Ägidien. Doch aus Sorge wurde diese abgesagt und die Gemeindemitglieder nach Hause geschickt. Doch Josef Stützer machte sich nicht auf den Heimweg: "Meine Frau und ich sind losgegangen. Dabei spürten wir, dass wir nicht allein waren. Einige folgten und dann wurden es immer mehr." Die Heiligenstädter zogen mit brennenden Kerzen zum damaligen Rat des Kreises. Von diesem Zeitpunkt an gehörten die Demonstrationen zu den Montagsgebeten in St. Gerhard dazu. "Und wer nicht mitgehen konnte, der sollte brennende Kerzen in die Fenster stellen, um so seinem Wunsch nach Veränderung Ausdruck verleihen", berichtet Josef Stützer.

Bewusst als Christ in der DDR geblieben

Grundlage des persönlichen Einsatzes von Josef Stützer für Demokratie und Freiheit sind seine christliche Wertehaltung, die er in seinen Kindheits- und Jugendtagen im Elternhaus sowie später in der Schönstatt-Bewegung schulte. Es war der Gründer Schönstatts, Pater Josef Kentenich (1885- 1968), der Josef Stützer dazu aufforderte, bewusst als Christ in der damaligen DDR zu leben. "Das hat mir immer wieder die Kraft gegeben, mich für das Hierblieben zu entscheiden - auch wenn die Angebote noch so verlockend waren", berichtet Josef Stützer.

Geprägt haben ihn die Erfahrungen, die er in zwei deutschen Diktaturen machen musste: der Druck, der auf christlichen Familien in Fragen der Erziehung und der Jugendweihe ausgeübt wurde, oder die ständigen Einmischungen des Staates in die Belange seines Familienbetriebs. All dies sind Erfahrungen, die es für ihn bis heute unverständlich machen, warum es nach dem 3. Oktober 1990 nicht möglich wurde, die SED und ihre Nachfolgepartei PDS zu verbieten. Diese und manch andere Enttäuschung verbitterten Josef Stützer allerdings nicht. Er ist dankbar für das Geschenk eines einigen deutschen Vaterlandes: "Es war nicht nur Menschenwerk, das uns die Einheit brachte, es war ein Wunder Gottes." Josef Stützer weiß aber auch, dass Freiheit und Demokratie ihre Feinde haben. Aufmerksam beobachtete er deshalb die politische Entwicklung, sagt seine Meinung unerschrocken und bezieht die Probleme und Schwierigkeiten in sein Gebet ein.

Geboren wurde Josef Stützer am 13. Mai 1923. Nach der Ausbildung zum Kunsttischler und Bildhauer übernahm er nach Krieg und Gefangenschaft 1948 den väterlichen Betrieb, die Meisterprüfung legte er 1949 ab. Neben Stilmöbeln sind seine künstlerisch gestalteten Einrichtungen für Kirchen und Kapellen eine Augenweide. Seine vielen Bildhauerarbeiten boten eine gute Gelegenheit, dem Glauben sichtbaren Ausdruck zu verleihen. In seiner Heimatstadt und ihren Kirchen aber auch sonst auf dem Eichsfeld und weit darüber hinaus begegnet man fast täglich seinen Werken. Heute wird die Unternehmenstradition durch den Sohn Thomas fortgeführt.

Von Holger Jakobi

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