Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Anstoß

Das Gebet bewahren und schützen

Schwester Susanne Schneider

Viele Menschen klagen, dass ihnen die Zeit für das Gebet fehle. Meist haben diese Menschen die besten Vorsätze und werden dauernd im Gottesdienst ermahnt, wie wichtig und entscheidend das Gebet ist. Doch wenn es dann ernst wird, muss man noch dringend etwas Wichtiges erledigen, muss noch jemanden anrufen oder ist einfach zu müde.

Auch im Raum der Stille in der Hainstraße erleben wir diese Ambivalenz: das Gästebuch ist voll mit Einträgen von Menschen, die versichern, wie wohltuend die Stille ist und dass sie sich gern in unseren Raum zurückziehen. Manche Besucher setzen sich hin, atmen gut durch und beginnen zu beten. Doch bei vielen schlägt die Stimmung schon nach wenigen Augenblicken um: Ist man mal zur Ruhe gekommen, beginnt eine Zeit der Langeweile, die als nervig, anstrengend und mühsam erlebt wird. So halten viele Menschen die Stille nicht lange aus.

Angesichts dieser Situation scheint der Rat des Franz von Sales geradezu paradox: Er sagt, dass es sinnvoll sei, täglich eine halbe Stunde zu beten. Doch wenn der Mensch im Stress ist und keine Zeit hat, sei es sinnvoll, täglich eine ganze Stunde zu beten.

Franz von Sales weiß aus eigener Erfahrung, dass das Gebet ganz vielen Zielen dient, unter anderem zwei Zielen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Erstens geht es darum, sein Leben zu ordnen und tatsächlich zu leben, statt gelebt zu werden. Und zweitens geht es darum, die Gottesbeziehung zu vertiefen, also immer deutlicher das Leben gemeinsam mit Gott zu leben und Gott dabei als Freund, als Wegbegleitung, als Hilfe zu erfahren.

Für uns Christen hängen beide Ziele zusammen: Je besser ich mein Leben manage, umso klarer erkenne ich Gottes Willen, und je deutlicher ich nach Gottes Willen frage, um so besser ordnen sich die vielen Kleinigkeiten meines Lebens.

Wenn nun viele verschiedene Anforderungen auf uns herunterprasseln, sind wir in der Gefahr, beim Gebet Zeit zu sparen, und das ist genau der falsche Weg. Denn Stille und Gebet sind anfällig und zerbrechlich.

Wie schnell lassen wir uns ablenken von Arbeit, Beziehungen, Erholung und all den anderen Herausforderungen, die sich lautstark und lärmend breit machen! Wir können Stille und Gebet mit einem Baby vergleichen: Ganz spontan würden wir das Baby an eine weiche Stelle legen und niemals dorthin, wo es eventuell fallen könnte. Genauso müssen wir unsere Beziehung zu Gott als ein kostbares, zerbrechliches Gut schützen, bewahren und aktiv verteidigen.

Schwester Susanne Schneider
, Missionarinnen Christi, Kontaktstelle Orientierung Leipzig

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps