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"Mutig gegen Marx und Mielke"

Die Christen und das Ende der DDR: Gerold Hofmann stellte sein Buch und seinen Film vor

Leipzig. Der christliche Glaube ist unvereinbar mit den Praktiken des DDR-Unterdrückungsregimes. Der Regisseur und Autor Gerold Hofmann hat darüber ein Buch geschrieben und einen Film gedreht: "Mutig gegen Marx und Mielke. Die Christen und das Ende der DDR". Beides stellte er jetzt im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig vor.

Schwarze Buchstaben auf weißem Untergrund: "Für die Verwirklichung der Menschenrechte". Martin Böttger hielt das selbstgebastelte Plakat am 1. Mai 1976 in die Höhe, lief mit der Masse, aber war kein Teil von ihr. Eine Ein-Mann-Demonstration gegen den Staat, ein Zeichen des Widerstands inmitten des gewollten Konformismus.

Der Spruch zeigte Wirkung. "Eine alte Frau kam auf mich zu und sagte, dass sie mein Plakat toll fände. Dann rannte sie weg." Die Stasi führte Böttger schnell aus dem Strom der Demonstranten, nahm ihn fest. Seitdem galt der Physiker und bekennende evangelische Christ als Staatsfeind.

Der Saal des Zeitgeschichtlichen Forums ist gut gefüllt an diesem Mittwochabend. Zusammen mit dem Regisseur Gerold Hofmann sitzt Böttger auf dem Podium. Er ist einer von fünf Protagonisten des Films, den Hofmann über das Schicksal von Christen am Ende der DDR gedreht hat.

Er habe zwei Möglichkeiten gehabt, sein Filmprojekt umzusetzen, sagt der Regisseur: "Entweder eine historische Dokumentation, in der wir die Geschehnisse nachgezeichnet hätten, oder eine biographische und damit subjektive Herangehensweise." Gemeinsam mit Journalisten des MDR, mit denen er eng zusammenarbeitete, hat sich Hofmann für den biographischen Zugang entschieden. Fünf Lebensgeschichten, die eins eint: ihr unbeugsamer christlicher Glaube. Miteinander verwebt in einem Film.

Hofmann lässt erzählen, die Textpassagen des Sprechers dienen meist nur als Übergang. Da ist Ruth Misselwitz, Pfarrerstochter aus einem kleinen Ort in Brandenburg. Als ihr Vater erfährt, dass seine Kinder in der Schule ein Heine-Gedicht mit einer religionskritischen Strophe aufsagen sollen, sagt er ihnen, sie sollten diese nicht zitieren. Seine Kinder folgen dem Rat. "Ich habe eine fünf bekommen", sagt Misselwitz. "Es war das einzige Mal, dass ich von meinem Vater für eine Note Geld bekam. Er gab mir fünf Mark."

Oder das katholische Ehepaar Erna und Christian Grade aus Dresden: "Durch Kommunion und Firmung besaßen wir einen Makel im Lebenslauf, den niemand mehr überspringen konnte", erzählen sie. Faktisch herrschte in der DDR Religionsfreiheit. Das hinderte das Regime jedoch nicht daran, Gläubige so effektiv wie möglich zu schikanieren. "Aber wir wollten und konnten unseren Glauben nicht verleugnen." Die Grades waren dabei, als in Erfurt eine riesige Menschenmasse die Messe zum 700-jährigen Todesjubiläum der heiligen Elisabeth feierte. In den Medien wurde die beeindruckende Glaubensdemonstration totgeschwiegen. Daran störten sich die engagierten Christen jedoch nicht.

Martin Böttger testete immer wieder die Grenzen des Systems aus. Seinen Plakatprotest wiederholte er. Der Glaube war ihm Halt und Verpfl ichtung zugleich. "Ich habe mich gestützt und getragen gefühlt. Die Möglichkeit, in meiner Gemeinde die Gottesdienste auf der Orgel begleiten zu können, hat mir geholfen, mit den Sorgen und Nöten, die ich natürlich hatte, fertig zu werden." Wenn Böttger, der mittlerweile Leiter der Außenstelle für Stasiunterlagen in Chemnitz ist, heute seine eigene dicke Akte zur Hand nimmt, kann er nur mit dem Kopf schütteln über die Unverhältnismäßigkeit der Überwachung. "Was die für eine Angst vor uns Christen hatten, das hätte ich nie für möglich gehalten." Von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends wurde er ständig überwacht. Dann war Feierabend für die Beschatter. "Über meinen besten Freund ist deshalb in den Unterlagen nichts vermerkt. Der kam immer um elf."

Der erste Teil des Films "Mutig gegen Marx und Mielke. Die Christen und das Ende der DDR" wurde am 8. Oktober, 22.35 Uhr im MDR gezeigt, der zweite Teil folgt am 15. Oktober zur gleichen Zeit.

Von Kilian Trotier

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