Kreativität und Gottvertrauen
Offene Gemeinde war ein Thema bei der Pastorale
Schmochtitz. Das Thema "Offene Gemeinde" wurde auf einem der Workshops der Pastorale diskutiert.
Christoph Behrens diskutiert frei heraus. "Meine Erfahrung ist: soziale Aufgaben wachsen uns zu. Man muss nur offen sein. Man muss darauf achten, was Gott uns auf den Weg gibt", sagt der Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Benno in Bischofswerda. Er diskutiert mit Christen anderer Pfarreien zum Thema "Offene Gemeinde". Es ist einer der rund 100 Workshops zur zweiten Pastorale.
"Wie offen gehen wir mit unserer frohen Botschaft um? Werden wir ernst genommen? Ist es uns wirklich Herzensangelegenheit?", spitzt Christoph Behrens zu. In seiner Gemeinde, so erzählt er, gibt es eine sehr selbstständige Kinder-, Jugend- und Erwachsenenarbeit. Vor allem die Offene Jugendwoche zieht viele Nicht-Christen an. "Das ist ein wunderbarer Ansatz für die Pastoral." Beim Stadtfest, beim Sächsischen Erntedankfest, auch beim Weihnachtsmarkt ist die Gemeinde präsent. Ökumene gehört zur Normalität.
"Doch was tun wir für Menschen am Rande der Gesellschaft?", fragt der Pfarrer nachdenklich. Er erzählt von der Arbeit mit straffälligen Jugendlichen. Manche arbeiteten bereits auf dem Pfarrhof. Das rief Vorurteile auf den Plan. Einige nannten die Jugendlichen verächtlich "Abschaum". Eine Integration sei schwierig. "Wie kann man eine Gemeinde überzeugen, dass es ,unsere‘ Sache ist?", fragt Christoph Behrens.
Offene Gemeinde, betont er, braucht auch Weltanbindung. Die Gemeinde unterstützt ein Waisenhaus- Projekt für 40 Kinder in Indonesien: 40 Familien aus der Gemeinde kommen mit je 15 Euro monatlich für den Lebensunterhalt der Waisen auf. "Initiativen sind da. Doch es braucht Verantwortung", sagt der Pfarrer. "Es ist noch ein weiter Weg, wirklich offen zu sein."
Oft, so Dr. Klaus Legutke, Vorsitzender des Diözesanrates Dresden- Meißen, kommen Erwerbslose, Suchtkranke und Hartz-IV-Empfänger in den Gemeinden offi ziell gar nicht vor. Das registrierte er bei einer Umfrage. 100 Gemeinden waren angeschrieben. Nur drei antworteten. Für viele sind Randgruppen ein Tabu-Thema.
"Unser Eindruck ist: oft halten Gemeinden Abstand. Wir sind nicht gewünscht", bestätigt das Andreas Putschli, Vorsitzender des Kreuzbund-Diözesanverbandes Dresden-Meißen. Dieser katholische Selbsthilfe-Verband engagiert sich für Alkoholkranke. In Sachsen, so Putschli, sollte er viel bekannter werden. Denn Selbsthilfe- Arbeit sei nicht nur "Tee- Arbeit". Hier gehe es vor allem um Gespräche, um Gemeinschaft, um Austausch. Gemeinden sieht er dabei stärker mit in der Verantwortung.
"Wir müssen an unserem Selbstverständnis arbeiten. Hinausgehen. Pfarrbriefe auch auf Bürgerämtern verteilen", meint Bernd Streich von der katholischen Gemeinde Berlin-Biesdorf. Dort engagiert er sich im Kirchenvorstand und als Ökumene-Beauftragter. Offene Gemeinde, so seine Erfahrung, braucht Kreativität und Zeit. Jeden Montag gibt es in der Gemeinde jetzt einen Treff des Kreuzbundes. Hier kommen Alkoholkranke zusammen. Eine wichtige, lebensnötige Unterstützung. Seit einiger Zeit arbeitet die Pfarrei auch mit der evangelisch-methodistische Gemeinde Biesdorf bei der Aktion "Hilfe vor der Tür" zusammen. Spenden gehen dabei an Bedürftige in akuten Notlagen, an Arbeitslose, Alleinerziehende und Senioren.
"Manche Lichter zeigen große Wirkung", ist Petra Kaulfürst aus der St.-Petri-Gemeinde Bautzen überzeugt. Auch ihre Pfarrei öffnet sich immer wieder. Weihnachten 2007 zeigte sie ein Krippenspiel nach Carl Orff. Sie kooperierte dafür mit der Kreismusikschule Bautzen. Sie führte das Krippenspiel nicht nur in der Kirche, sondern auch im Theater auf.
"Unsere Kirche hat viele Ressourcen: musikalisch, kulturell, räumlich", stimmt Peter Kloß vom Erzbischöfl ichen Ordinariat / Dezernat Seelsorge und Gemeindeberatung in Berlin zu. "Die Frage muss sein: Wie werden wir uns bewusst, was wir als Christen geben können? Es darf nicht nur um Selbsterhalt der Gemeinden gehen."
Ein Weg der Öffnung, so zeigt die Diskussion, kann schon ein Kindergarten in Trägerschaft der Kirchengemeinde sein. Hier lassen sich Nicht-Christen erreichen. Hier führen Gespräche auch näher an den Glauben heran. "Wir Christen sollten ausstrahlen. Missionieren im Guten. Ohne Eigendünkel, ohne Druck und ohne Plakatierung", fi ndet Werner Schmiedecke von der katholischen St.-Petrus-Gemeinde Dresden-Strehlen. Obwohl er evangelisch ist, gehört er dazu. Seine Frau Renate ist katholisch. Seit zweieinhalb Jahren lädt die Gemeinde jeden letzten Freitag zum Kino-Abend mit Diskussion ein und zeigt dabei nicht nur christliche Filme. "Der Erfolg hält sich in Grenzen", erzählt der Dresdner. "Wir sehen es trotzdem als Öffnung. Wir wollen es weiter verfolgen." Zum Film "Der neunte Tag", so erzählt er, kamen über 50 Besucher. Mit einem Überlebenden aus dem Konzentrationslager Dachau ergab sich eine spannende Diskussion. So etwas wünsche er sich öfter. "Wenn wir als Ge-meinden wirksam werden wollen, müssen wir immer wieder offen sein."
Von Andreas Kirschke