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Wie leben wir miteinander?

"Amoklauf" war Thema beim Eichsfeldforum

Heiligenstadt (cb). "Amoklauf - was geschieht mit den Angehörigen der Opfer?" war das aktuelle Eichsfeldforum Anfang Oktober im Marcel- Callo-Haus überschrieben. Vorbereitet wurde es gemeinsam mit der Heiligenstädter St.-Ägidien-Gemeinde.

Polizeikommissarin Ines Echtermeyer und Notfallseelsorger Pfarrer Karl- Josef Wagenführ sprachen über das Thema Amoklauf.

Hellhöriger, sensibler werden im Umgang mit den Menschen an unserer Seite, mit den eigenen Kindern, den Nachbarn. Zuhören; jenen, die am Boden liegen, ohne viele Worte die Hand reichen, damit sie wieder Halt fi nden im Leben, anstatt aus der Position des Stärkeren nachzutreten; nie gleichgültig sein. Pfarrer Karl- Josef Wagenführ, Breitenbach, Landespolizeipfarrer in Thüringen und Notfallseelsorger, weiß, wovon er spricht. Er hat die Angst in den Gesichtern gesehen bei seinem Einsatz am 26. April 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, dem Tag des Amoklaufs.

Die junge Polizeikommissarin Ines Echtermeyer, Polizeiinspektion Heiligenstadt, wird zwar bestens geschult für den Einsatz in solchen Extremsituationen, wünscht sich aber, dass ihre theoretischen Kenntnisse niemals in der Praxis nötig sind. Bis vor wenigen Jahren war sie selbst noch Schülerin am Marie-Curie-Gymnasium in Worbis. Sie berichtet davon, wie Polizeibeamte in Eichsfelder Schulen gehen, um im Rahmen der Prävention mit den Pädagogen zu arbeiten.

Besonders viele Besucher des Eichsfeldforums meldeten sich diesmal zur Diskussion, hatten Fragen, legten ihre Meinungen dar, sprachen Sorgen aus. Vor der Diskussion schlug aber Moderator Dario Pizzano einen Moment des Schweigens vor, um das eigentlich vom Verstand nicht Fassbare besser verarbeiten zu können. Laut Recherchen von Polizeikommissarin Echtermeyer gibt es seit 1983 in Deutschland 30 ausgewertete Fälle von Amokläufen, mit 195 Verletzten und 54 Toten. Nicht immer waren Schulen der Tatort, Schüler die Täter. Doch sind es eben besonders Schulen, die das verstärkte Interesse von Medien und Öffentlichkeit hervorrufen.

Sehr schmal ist mitunter die Grenze zwischen dem Recht der Angehörigen auf ihre Trauer in einem geschützten Rahmen und dem Anspruch der Gesellschaft auf Informationen und Berichterstattung, sofort und ganz nah am schrecklichen Geschehen.

Schnell wurde in der Diskussion herausgearbeitet: Eltern, Schule, Kirche tragen gemeinsam Verantwortung, damit nicht am Ende die ungläubigen Fragen entsetzter Menschen stehen, wie es denn soweit kommen konnte. Streitkultur und die richtige Art, mit Aggressionen umzugehen, müsse bereits in den Familien erlernt werden. Wichtig sei die Wertschätzung des anderen Menschen, auch wenn er eine Meinung vertritt, die der eigenen widerspricht. Ständig wachsender Druck zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, so wurde zu Recht beklagt, führen dazu, dass es in manchem Elternhaus, das nach außen durchaus als intakt und respektabel gilt, sogar die Zeit für eine gemeinsame Mahlzeit fehlt. Und weil eben über allem das "Zeit ist Geld" steht, bleibt oftmals die einfache Frage "Wie geht es dir?" auf der Strecke. Schüler werden zu Mobbingopfern, obwohl Eltern mobbender Mitschüler versichern, ihr Kind würde niemals so etwas tun. Natürlich sei, so Pfarrer Wagenführ, immer in der unmittelbaren Folge eines Amoklaufs die Gesellschaft besonders sensibilisiert, doch gehöre es zum täglichen Leben, sich die Fragen zu stellen: "Wie gehen wir miteinander um? Wie leben wir miteinander?"

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