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Anstoß

Hilfe zum Neuanfang oder Skaten im Gefängnis

Guido Erbrich

Mitarbeiterfortbildung für Gefängnisangestellte. Hans Joachim Mehler, katholischer Gefängnisseelsorger erzählt von einem Sonntagsspaziergang an der Elbe. Dort skatet eine junge Familie mit zwei Kindern an ihm vorbei. Plötzlich stürzt das Mädchen, bleibt der Länge nach auf dem Weg liegen und schaut hilfesuchend zu den hinter ihr fahrenden Eltern.

Schnell kommt der Vater angebraust und reicht seiner Tochter die Hand. Mit seiner Hilfe und eigener Anstrengung steht sie auf. Die Mutter kommt dazu, nimmt das Mädchen in die Arme, wo es sich erst einmal ausweinen kann. Ihr Bruder rollt derweil munter hin und her. Als die Tränen getrocknet sind, fährt die Mutter zu ihm und beide skaten weiter.

Derweil ergreift der Vater die Hand seiner Tochter. Sich aneinander haltend skaten beide zurück. Hier unterbricht der Erzähler: "Ich dachte, das war’s, der Vater fährt mit seiner Tochter zum Auto. Skates ausziehen und Schluss für heute. Aber nein." Die Geschichte geht weiter.

Nach ein paar Metern stoppen Vater und Tochter. Der Vater zeigt noch einmal das richtige Aufsetzen der Füße, sie macht es nach und beide legen Hand in Hand die gefährliche Strecke ein zweites Mal zurück. An der Sturzstelle angekommen halten sie und machen kehrt. Jetzt lässt der Vater seine Tochter los und gemeinsam skaten beide fröhlich Mutter und Bruder hinterher. Keine Spur des Sturzes und der Angst finden sich im Gesicht des Kindes.

Mit diesem Beispiel beschreibt der Gefängnisseelsorger den erstaunten Beamten sein Verständnis von Seelsorge: Trost und Halt geben, Ermutigung und Befähigung vermitteln. Natürlich merken die Beamten schnell, was der hintergründige Sinn der Geschichte ist. Seelsorge geht nicht nur die Seelsorger etwas an. Sie ist im gelungenen Fall Hilfe zum Leben und Befähigung, dieses Leben mit eigener Kraft zu bestehen.

Halt, Ermutigung und Befähigung, damit das Leben gelingen kann in all seinen Dimensionen - das soll Seelsorge sein? Bisher war doch noch überhaupt nichts von der Botschaft Jesu zu hören! Nein? Tatsächlich nicht?

Guido Erbrich, Bautzen

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