Dort sein, wo ich gebraucht werde
Nicht alle verlassen den Osten gen Westen. Manche kommen auch aus dem Westen in den Osten
Wittichenau (rs). Katharina Sommer ist Pfarrhaushälterin. Vor 15 Jahren hat sie ihr Haus im Odenwald verlassen, um im östlichsten Bistum Deutschlands den Haushalt eines Priesters zu führen.
Katharina Sommer hätte es eigentlich nicht mehr nötig, zu arbeiten. Während Mitmenschen gleichen Alters längst ihren Ruhestand genießen, ist sie als Pfarrhaushälterin weiterhin zuständig für das Wohl des Wittichenauer Pfarrers Dr. Wolfgang Kresák und seiner Gäste. Eigentlich wollte die couragierte Frau vor knapp zwei Jahren nicht mehr mit dem Pfarrer in die neue Gemeinde nach Wittichenau wechseln, sondern nach Hause in den Westen Deutschlands zurückkehren, wo sie in Fürth, im Odenwald, ein eigenes Haus hat und dies aus der Ferne vermietet. Doch sie ging nicht, sondern folgte Kresák nach Wittichenau und übernahm Verantwortung. Das tat sie schon immer, etwa als Neunjährige, als ihr Vater kurz vor seinem Erfrierungstod in Russland 1942 ihr auftrug, für die Familie zu sorgen. Als sie zwölf Jahre alt war, erkrankte ihr vier Jahre älterer Bruder an Epilepsie. Hingebungsvoll sorgte sie sich um ihn 45 Jahre lang bis zu seinem Tod als Sechzigjähriger. Dies hat sie ebenso geprägt wie die Bombennächte in den Kellern 1943/44.
Die erste Frau, die Kommunionhelferin wurde
Nach dem Krieg engagierte sich Katharina Sommer von ihrem 18. bis zum 36. Lebensjahr in der Jugendarbeit des Dekanates, später im Pfarrgemeinderat und Verwaltungsrat. Ihr Heimatpfarrer in Fürth bat sie 1980 als erste Frau, Kommunionhelferin in der Gemeinde Fürth zu werden. Dazu gehörte es auch, alten und kranken Menschen - nicht nur in der eigenen Familie - die Kommunion zu bringen. Durch diese Aufgabe wurde sie in der Gemeinde besonders akzeptiert.
Die gelernte Schneiderin arbeitete jahrelang in einer Firma, die Stühle und Stilmöbel herstellte. Als Näherin baute sie dort selbstständig eine Abteilung auf. "Wir haben teure Stoffe verarbeitet, das war schon eine große Verantwortung über 36 Jahre lang." Und immer mit dabei war die Sorge um ihren kranken Bruder, den sie auch in dieser Firma unterbringen konnte.
Nach dem Konzil beteiligte sie sich an einer Fragebogenaktion, die von der Würzburger Synode ausging und zum Thema hatte: Wie soll es weitergehen mit und in der Kirche? Auch das war ihr immer ein Anliegen und ist es bis heute geblieben. Sie wollte "diejenigen auffangen, die nicht mehr in die eine oder andere Gruppe der Gemeinde passten, wie der Frohschar oder der Jugend entwachsen waren, und so keinen Kontakt zu einer Gruppe der Gemeinde mehr hatten. So gründete ich mit anderen den Kreis der ,Jungen Erwachsenen‘, sonst wären die weg gewesen." Mit viel Engagement betreute sie diesen neuen Kreis.
"Ich war frei und wollte eine Brücke schlagen"
Ihr Blick ging ebenso in den Osten. Sie wollte auch in diese Richtung helfen. Über die "Rosenkranzfrauen", die täglich den Rosenkranz beteten, kam über den damaligen Pfarrer Horst Andreas, der von 1965 bis 1986 Pfarrer in Luckau und danach bis 1999 Pfarrer in Peitz war, die Adresse von Wolfgang Kresák zu ihr, des damals 18-Jährigen, der Priester werden wollte. Gemeinsam mit ihrer Tante unterstützen sie ihn seitdem in vielfältiger Weise.
Nach der Wende, im Jahr 1994, entschloss sich Katharina Sommer, in den Osten zu gehen und Pfarrer Kresák in Görlitz, St. Jakobus, den Haushalt zu führen. "Ich war frei und dachte, ich kann es ja mal versuchen. Ich wollte eine Brücke schlagen zwischen dem Westen und dem Osten unseres Landes und auf meine Weise versuchen, die beiden Teile einander näher zu bringen. Dabei stieß ich auch auf viele Vorurteile gegenüber den ,Wessis‘, die noch längst nicht abgebaut sind. So etwas schmerzt mitunter."
Die gute Seele des Pfarrhauses hat klare Vorstellungen, wie Kirche aussehen soll: "Hier in Wittichenau ist Kirche noch Kirche! ... obwohl ich meine festzustellen, dass die jüngeren Leute auch nicht mehr so gern kommen und viele andere Angebote nutzen ... Man müsste die Laien noch mehr und noch besser einbinden."
Als Ehrenamtlicher kann man nicht entlassen werden
Frau Sommer findet es wichtig "dass jemand im Pfarrhaus als Ansprechpartner da ist, auch wenn die Bürozeiten vorbei sind". "Die Priester, die eine Pfarrei nach der anderen dazu bekommen, dürfen nicht auch noch kochen, putzen und Wäsche waschen müssen."
Die Zukunft? "Durch das zunehmende Verwaisen der Pfarrhäuser entsteht Anonymität, kommt ‚Fremdheit‘ gegenüber den Priestern auf. Wo der Pfarrer nicht mehr präsent ist oder immer wieder ein anderer vorbeikommt, kann kein Vertrauen entstehen." Dies ist die nachdenkliche Seite von Katharina Sommer, die ansonsten eher optimistisch durch das Leben geht. Einen Vorteil sieht sie, was ihr bisheriges Leben angeht: "Ich war immer ehrenamtlich in der Kirche tätig, da kann man nicht entlassen werden. Man hat Freiheiten, um die manch ,Hauptamtlicher‘ mich beneidet."