Ein Ort für gelebtes Christsein
Diözesan-Caritasdirektor Brantzen über anstehende Veränderungen beim Caritasverband
Magdeburg. Der Caritasverband des Bistums hat im Oktober damit begonnen, die Erkenntnisse aus seinem Organisationsentwicklungsprozess praktisch umzusetzen. Der Tag des Herrn sprach mit Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Brantzen. Der gebürtige Mainzer leitet seit Beginn des Jahres den Verband.
Herr Caritasdirektor, Bischof Gerhard Feige hat entschieden, den Caritasverband im Bistum neu zu ordnen. Warum ist dies erforderlich?
Zunächst einmal ist die Neuordnung des Caritasverbandsystems eine Weiterentwicklung der Reform der pastoralen Strukturen. Gleichzeitig müssen wir die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre berücksichtigen. Nach der Friedlichen Revolution 1989/90 haben die Verantwortlichen der Caritas mit viel Engagement dafür gesorgt, dass die Caritas Verantwortung in den unterschiedlichsten Bereichen sozialer Arbeit übernimmt und gesellschaftliches Gewicht erhält. Die Dekanatssozialarbeit wurde ausgebaut. Es entstanden eigene Ortscaritasverbände, Einrichtungen wurden übernommen, Gesellschaften gegründet und korporative Mitglieder kamen hinzu. Nun ist auch hinsichtlich der Vernetzung der vielfältigen Arbeit die Zeit der Neuordnung gekommen.
Dabei spielt sicher auch die Frage der Finanzierbarkeit eine wichtige Rolle …
Wir müssen uns stärker als bisher im gesamten sozialen Bereich auf den Wettbewerb einstellen. Dabei gilt es, die christliche Intention unseres Einsatzes mit der Situation, mit anderen Anbietern im Wettbewerb zu stehen, tragfähig zu verbinden. Dafür ist es notwendig, dass die unteren Ebenen stärker inhaltlich, politisch und wirtschaftlich eigenständiger handeln und auch das unverzichtbare ehrenamtliche Engagement eingebunden wird. Gleichzeitig gilt es, unsere Arbeit gebündelt politisch auf regionaler wie auf Landesebene zu vertreten. Für all dies braucht es intensive Kommunikation und Kooperation innerhalb unseres Verbandssystems. Dies zusammenzuführen ist Aufgabe des Diözesan-Caritasverbandes.
Weil eine Reihe von Caritas- Einrichtungen finanziell am Limit arbeiten, hat der Bischof entschieden, dass bei der Caritas nur ein Teil der vereinbarten Tariferhöhungen in Kraft treten sollen. Was ist aus Ihrer Sicht dazu zu sagen?
Wer die Einrichtungen der Caritas besucht, lernt die Leistung und das hohe Engagement der Mitarbeitenden kennen und schätzen. Dies muss auch angemessen entlohnt werden. Der Caritasverband zahlt ein vergleichsweise zu anderen, insbesondere privaten Trägern hohes Gehalt. Da die Personalkosten zirka 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, ist die Tarifgestaltung ein wesentliches Element, um Kosten zu steuern und unsere Einrichtungen und die damit verbundenen Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern. Täten wir dies nicht, würden wir als Kirche auf Dauer zentrale Verantwortung für die Gesellschaft abgeben und und wären weniger präsent. Wir haben also als Kirche eine doppelte Verantwortung: Für die Mitarbeitenden und deren Familien wie auch für die Gesellschaft.
Immer wieder ist von Kürzungen von Zuschüssen im sozialen Bereich die Rede. Gibt es für Sie eine Schmerzgrenze, unter der manche Arbeit nicht zu leisten ist?
Wenn zum Beispiel die Landesregierung im Landeshaushalt 2010/11 plant, bei Beratungsstellen und Frauenhäusern die Zuschüsse einschneidend zu kürzen, müssen wir schauen, wie wir damit umgehen. Den betroffenen Menschen hilft die Schließung eines Angebotes nicht. Es gilt also Synergien zu erzielen. Gleichzeitig muss versucht werden, alternative Mittel zu erschließen. Nicht unerheblich wird für uns sein, wie ab 2011 der Verband der deutschen Diözesen die Kirchensteuerzuweisungen neu ordnet. Diese haben in den Diözesen für die Mittelzuweisung für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche eine Bedeutung. Natürlich ist permanent abzuwägen, wo die Schmerzgrenze für unser Engagement liegt. Gleichzeitig müssen wir im Blick behalten, dass wir als Kirche ja bewusst karitativ-diakonisch tätig sein wollen.
All diese Fragen soll die durch den Bischof in Auftrag gegebene Neuordnung berücksichtigen …
Ja, das ist die Herausforderung. Der Bischof hat entschieden, dass sich der Diözesan-Caritasverband nach einem dezentralen Modell mit zentraler Steuerung neu ordnen soll. Das heißt, es ist derzeit vorgesehen, künftig auf zwei regionale Caritasverbände in Form der gGmbH hinzuarbeiten. Bereiche wie zum Beispiel die Dekanatssozialarbeit, die bislang direkt zum Diözesanverband gehört haben, sollen stärker auf Regionalebene angegliedert werden. Wie dies genau aussieht, wie etwa auch die Dekanatsstellen ortsnah integriert werden können, wie die Arbeit finanz- und verwaltungstechnisch abgesichert werden kann, ist Inhalt des jetzt begonnen Teils unseres Organisationsentwicklungsprozesses.
Beim Pastoralen Zukunftsgespräch wurde einmal mehr die Bedeutung der Diakonie für die christliche Praxis herausgestellt. Was bedeutet dies für die Neuorganisation?
Unsere sozialen Einrichtungen werden künftig im Blick auf das Erscheinungsbild von Kirche an Bedeutung gewinnen: An und in ihnen wird Kirche in der Gesellschaft sichtbar. Sie können Orte werden, wo Menschen Glaube erfahren und leben können. Die Menschen kommen dorthin zu Besuch. Gemeinde hat hier die Chance, durch diesen niederschwelligen Zugang mit Interessierten zusammenzukommen, zu denen sie sonst keinen Zugang hat. Als Kirche müssen wir schauen, wie wir solche Möglichkeiten der Begegnung weiterentwickeln können - als Gemeinden und Einrichtungen - aber in Vernetzung. Ein Pfeiler dabei sind unsere Einsatzorte. Insofern sind unsere karitativen Einrichtungen ein Geschenk. Das bedeutet: Pastoral und Caritas müssen enger zusammenrücken. Hier haben wir gemeinsam in konkreten Projekten erste Schritte unternommen.
Ist die Umsetzung dieses Anliegens nicht dadurch erschwert, dass der Anteil der christlichen Mitarbeiter gering ist?
Ich sehe eine positive Herausforderung darin, die Spannungen zwischen kirchlichem Profil und der Realität der Lebenssituation der Mitarbeiter fruchtbar zu machen, aber auch zwischen der Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit, der Frage eines gerechten Lohns und der Kirchlichkeit. Ich verstehe es als Auftrag, diese Zeit als Gottes Zeit zu gestalten. Derzeit sind 80 Prozent der Mitarbeiter nicht getauft oder haben sich von der Kirche entfernt. Viele sind auf der Suche nach religiösen Werthaltungen und deren Ausdrucksformen und fragen nach Sinn. Viele der jungen Leute sind im Blick auf Kirche ganz unvoreingenommen. Unsere Mitarbeiter identifizieren sich in der Regel mit unseren Anliegen. Hier gibt es ein großes Feld seelsorglicher Möglichkeiten über deren praktische Umsetzung im Fachbereich Pastoral des Bistums längst nachgedacht wird.
Wie lange wird die Neuordnung dauern?
Im September 2011 soll die strukturelle Neuorganisation abgeschlossen sein. Die inhaltliche Ausgestaltung bleibt selbstverständlich eine dauernde Aufgabe.
Fragen: Eckhard Pohl
Zur Person
Diakon und Caritas-Direktor
Bernhard Brantzen wurde 1955 in Mainz geboren. Der Vater von drei erwachsenen Söhnen studierte Sozialarbeit und Theologie. 1977 bis 1985 war er Referent im Jugendamt der Diözese Mainz. In dieser Zeit entstanden erste Kontakte in die DDR. 1985 wechselte der Diplom-Sozialarbeiter (FH) zum Caritasverband Wiesbaden (Diözese Limburg) und übernahm die Referate Fachberatung Kindertagesstätten und Migrationssozialarbeit. 1989 wurde er zum Diakon geweiht. Seitdem ist er nebenberuflich Klinikseelsorger in Mainz und Mitglied der Schönstätter Diakonen-Gemeinschaft. Von 1988 bis 1999 war er bei der Caritas der Diözese Mainz (Fachberatung Kindertagesstätten; danach Stabsreferent Gemeindecaritas) tätig. In diese Zeit fallen auch Ausbildungen zum Supervisor mit Schwerpunkt Leitung und Organisation, in Geistlicher Begleitung sowie im Bereich Betriebswirtschaft. 2000 übernahm er die Leitung des Bezirkscaritasverbandes Gießen. Seit 1. Januar 2009 ist er Direktor des Diözesan-Caritasverbandes Magdeburg. Darüber hinaus ist er in verschiedenen Bereichen und Funktionen innerhalb des Deutschen Caritasverbandes tätig.