Strukturreform Bistum Erfurt 2:
Vom "passenden Kleid” zur "neuen Gehweise”
Hintergrund: Strukturreform im Bistum Erfurt
Von Matthias Holluba
Erfurt. Weniger Gläubige. Weniger Priester. Weniger Geld. Dem Bistum Erfurt geht es wie allen deutschen Bistümern. Gab es nach dem Krieg auf dem Gebiet des heutigen Bistums Erfurt 600.000 katholischer Christen, sind es heute 157.000. Ähnlich verhält es sich mit der Zahl der Priester: Während heute 112 aktiv im Dienst sind, werden es in zehn Jahren schätzungsweise 50 bis 60 sein. Wie kann es angesichts dieses Rückgangs an hauptamtlichen Mitarbeitern in den nächsten Jahren mit der Seelsorge weitergehen? Diese Frage hat sich der Erfurter Bischof Joachim Wanke mit seinen Mitarbeitern in der Bistumsleitung gestellt. Herausgekommen ist ein Plan zur Strukturreform bis zum Jahr 2020, in dem es statt zurzeit 72 Pfarrgemeinden wahrscheinlich nur noch 32 geben wird.
Mit den jetzt anstehenden Veränderungen wird ein Prozess zu einem vorläufigen Ende gebracht, der vor etwa zehn Jahren begonnen hat. Damals gab es für das 1994 errichtete Bistum erste Überlegungen zur Strukturanpassung. Bischof Wanke prägte dafür den Begriff "Das Kleid neu anpassen”. "Unsere Erfurter Ortskirche muss ihr Kleid den veränderten Gegebenheiten anpassen. Vorausschauend handeln erspart in der Zukunft Ärger und Ratlosigkeit", schrieb er 2004 in einem Brief an die Gemeinden. Im Jahr 2005 wurde die Zahl der Pfarrgemeinden von 120 auf 95 reduziert. Gleichzeitig wurden aus 14 Dekanaten sieben. Ein zweiter Reformschritt folgte drei Jahre später: 2008 gab es nur noch 74 Pfarreien.
"Die Gemeinden eines engeren Umfeldes müssen lernen, gemeinsam zu denken, zu planen und zu handeln. Es wird einfach nicht möglich sein, überall das volle kirchliche Angebot präsent zu halten", hieß Wankes Aufforderung schon im Jahr 2004. Dennoch müsse es möglich sein, "auch mit weniger Geld und weniger Personal den Grundauftrag der Kirche zu erfüllen: Gottesdienst zu feiern, das Evangelium den Menschen nahe zu bringen und tätige Nächstenliebe zu üben". Vieles ist in dieser Hinsicht inzwischen geschehen, so dass die Bistumsleitung zuversichtlich ist, dass auch der jetzt folgende Schritt der Strukturreform gelingen wird. "Wir fangen nicht bei Null an. Die neuen Pfarreien sind teilsweise die Konsequenz dessen, was vor Ort etwa in der Erstkommunionvorbereitung oder der Jugendarbeit seit Jahren praktiziert wird”, sagt Ordinariatsrätin Maria Lubina.
Den jetzigen Schritt der Strukturreform hat Bischof Wanke unter das Motto gestellt "Die Segel neu ausrichten”. Dabei geht es ihm um mehr als die Veränderung von Pfarrgrenzen.”Es ist uns bisher einigermaßen gelungen, die strukturellen Reformen nicht zum Hauptthema im Bistum werden zu lassen”, sagt der Bischof. Das liegt vor allem daran, dass die Aufmerksamkeit darauf lag, wie die Kirche auch unter veränderten Bedingungen ihrem Auftrag für die Menschen gerecht werden kann. Konkret hat das das Bistum in den letzten Jahren mit pastoralen Schwerpunktthemen "durchbuchstabiert”, beispielweise unter dem Motto "Das Evangelium auf den Leuchter stellen” und während des Elisabethjahres. Hier waren Erfahrungen möglich, die sich auch in das Bild des Neuausrichtens der Segel fassen lassen. Bischof Wanke: "Der Wind weht derzeit der Kirche nicht nur ins Gesicht wie früher. Er weht aus unterschiedlichen Richtungen, manchmal auch als unterstützender ,Rückenwind’."
Für Bischof Wanke reicht es längst nicht mehr, "das strukturelle ,Kleid der Kirche’ nur ,anzupassen’. Es braucht ein ,verändertes Gewand’ und wohl auch eine ,neue Gehweise’.” Einige Stichworte dafür hat der Bischof schon ins Gespräch gebracht: Es gelte, die ehrenamtliche Seelsorge zu stärken. "Brauchen wir nicht weitere differenzierte Formen der Mitarbeit, die eine echte Eigenverantwortlichkeit von Gemeindemitgliedern voraussetzen?” Weiter gelte es, Initiativen zu stärken, "die eine ausdrückliche Verbundenheit der Christen im gemeinsamen Glauben fördern”. In größeren pastoralen Räumen seien Leuchttürme zur Orientierung notwendig. Der Bischof denkt dabei an Bildungshäuser, herausragende kirchliche Orte wie den Erfurter Dom oder den Hülfensberg oder an die Wallfahrten. Weiterhin müssten die kirchlich-karitativen Einrichtungen als "Orte der Seelsorge” stark gemacht werden. Und: In einer sich ins Subjektive und Beliebige verlierenden Moderne sei eine Spiritualität notwendig, "die im heutigen Alltag dem Christen Stehvermögen und Durchhaltekraft verleiht”.