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Aufbruch in die Zukunft

Beim Neubeginn der SPD wollen Christen kräftig mitmischen

Dresden. "Erneuerung" war das Stichwort des SPD-Bundesparteitages am vergangenen Wochenende in Dresden. Wie nach dem Mauerfall vor 20 Jahren wollen katholische und evangelische Christen die Zukunft der Sozialdemokraten wieder mitgestalten.

Gemeinsam aufbrechen: Der Katholik Dr. Thomas Schuler und die evangelische Christin Ines Vogel engagieren sich in der SPD.

Wer kennt schon Eduard Bernstein? Der Sozialdemokrat war 1903, als die Partei letztmalig Delegierte aus ganz Deutschland in Dresden versammelte, Wortführer im sogenannten Revisionismus- Streit. Als Revisionisten galten Parteimitglieder, die einen "kritischen Sozialismus" forderten, der seine Ziele und Voraussetzungen einer ständigen Prüfung unterzieht. Erst 18 Jahre später, beim Parteitag in Görlitz, konnten sich Bernstein und Genossen durchsetzen.

Neue SPD-Katholikin Nummer eins

Soviel Zeit haben der neue Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und seine Generalsekretärin Andreas Nahles vermutlich nicht. Letztere ist nach dem unspektakulären Abgang des "heiligen Franz" (Müntefering) jetzt SPD-Katholikin Nummer eins in Deutschland. Es habe kein Sinn mehr zu "flügeln", gestand die einstige Sprecherin der Parteilinken, es gelte zu verbinden statt zu trennen. Aber nicht nur auf Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, auf die starken Vorsätze der Erneuerung in der SPD insgesamt wird das Land in den nächsten Monaten schauen. Die Partei hat sich viel vorgenommen, und wie beim gesellschaftlichen Aufbruch vor 20 Jahren wollen katholische und evangelische Christen wieder kräftig mitmischen.

Einer von ihnen ist Dr. Thomas Schuler aus Chemnitz. Der Theologe und frühere Benediktiner ist heute unter anderem Vorsitzender des Vereins der Freunde des Benediktinerklosters Wechselburg, dessen Gründung er als Mönch von Ettal aus mit unterstützt hatte. Wie viele Sozialdemokraten störte Schuler besonders "der Umgang in der SPD". Einsame Entscheidungen, Ignoranz gegenüber der Basis, mangelnde Transparenz. Da sei in den letzten Jahren viel schiefgelaufen, meint Schuler. Es sei wieder ein "Umgang der Brüderlichkeit" nötig, den die Christen besonders einbringen könnten. Aber es geht dem Theologen nicht nur um den notwendigen innerparteilichen Erneuerungsprozess. Teilhabe für alle, soziale Gerechtigkeit und den Mut dafür zu kämpfen stehen im Zentrum seines politischen Handelns.

Christoph Maaß, ebenfalls Katholik, ist in Premnitz (Brandenburg) aufgewachsen und lebt heute in Potsdam. Gut erinnert sich der 37-Jährige an den "Anti- Staatsbürgerkundeunterricht" seines Heimatpfarrers, aber auch an den Konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in den 1980er Jahren. "Da sind wir aber nicht wirklich weitergekommen", meint der Politikwissenschaftler heute. Diese Ziele sehe er aber in der SPD besonders verwirklicht. "Deshalb mache ich mit."

Die Partei hat eine Aufgabe und ist kein Selbstzweck

"Die Lösung für uns ist auch immer die Lösung von uns", zitiert die evangelische Christin Ines Vogel aus Dresden den katholischen Bischof Joachim Reinelt, der den Delegierten des SPD-Parteitages zusammen mit seinem evangelischen Amtsbruder eine ökumenische Andacht gehalten hat. Ines Vogel blickt trotz verlorener Wahlen optimistisch in die Zukunft. Christen in der SPD könnten deutlich machen, dass die Partei kein Selbstzweck ist, sondern eine Aufgabe habe: Dass die Menschenwürde gewahrt bleibe, dass sich alle in der Gesellschaft entfalten können und dass es dafür eine materielle Grundlage geben muss. "Jeder muss eine Chance bekommen, eine zweite und noch eine dritte", ist Ines Vogel überzeugt. Chancen, die auch Jesus den Menschen gegeben habe.

Für die SPD wird der Weg in die Zukunft nicht leicht. In einer Feststunde zum 20. Jahrestag der Gründung der SDP in der niedergehenden DDR feierten die Dresdner Sozialdemokraten am Rande des Parteitages den Beginn des Neuaufbruches. Einer der Gäste: Wolfgang Thierse, Katholik und Vizepräsident des Bundestages. In seinem Grußwort und in den persönlichen Zeugnissen der Dresdner Gründungsmitglieder spürte der Zuhörer wieder etwas vom Pioniergeist, vom Willen zur Freiheit, von der Vision einer gerechten Gesellschaft. Diesen "Zauber des Anfangs" wünscht man den Sozialdemokraten heute - nicht nur den Christen.

Von Andreas Schuppert

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