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Grundsicherung und Schwerpunkte setzen

Bischof Wanke zu den gegenwärtigen Herausforderungen für die Kirchen im Osten Deutschlands

Berlin (mh). "Katholische Kirche und Friedliche Revolution" hieß einen Veranstaltung der Katholischen Akademie Berlin. Dabei ging es auch um die gegenwärtigen Herausforderungen für Kirche in dieser Region.

Bischof Joachim Wanke:

Die Kirche im Osten Deutschland hat für den Erfurter Bischof Joachim Wanke 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution "mehr Möglichkeiten, als wir wahrnehmen". Auf einer Veranstaltung der Katholischen Akademie Berlin sagte Wanke: Zwar brauche die Kirche im Osten weiter die Solidarität des Westens, "nicht nur finanziell, sondern auch personell und ideell". Im Gegenzug sei aber die Kirche im Osten ein "noch nicht so verkrusteter ,Frontabschnitt‘, an dem sich auch für Regionen wie das Rheinland mitentscheiden wird, ob die kirchliche Verkündigung des Evangeliums einen Fuß auf den Boden bekommt".

Als Ansatzpunkt für die Verkündigung sieht Wanke die Situation der Ostdeutschen. Er halte die von der SED-Diktatur angerichteten geistigen Schäden für schwerwiegender als die ökonomischen. Als Beispiele nannte er die Entwertung des Begriffs Solidarität. Auch verzeichne er "eine nachhaltige Schädigung des Verantwortungsbewusstseins". Damit hänge die Hilflosigkeit mancher ehemaligen DDR-Bürger zusammen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und stattdessen überzogene Erwartungen an die Politik zu richten.

Der Osten Deutschlands habe in den letzten 20 Jahren einen Prozess der beschleunigten Nachmodernisierung erlebt. "Die neuen Freiheiten wurden zwar begrüßt, aber oft nicht bewältigt", sagt der Bischof. Ein Ausdruck für die Verunsicherung sei der Geburtenrückgang, der dramatischer gewesen sei als in den Jahren des Zweiten Weltkrieges.

In weltanschaulicher Hinsicht sieht Wanke im Osten Deutschlands eine weitgehende Orientierungslosigkeit. Der Zusammenbruch der DDR mit ihrem quasireligiösen Welt- und Lebensbild und so etwas wie einer atheistisch grundierten Zivilreligion (Stichwort Jugendweihe) habe ein Vakuum hinterlassen. Welche Rolle kann hier die Kirche spielen? Wanke warnt vor übertriebenem Optimismus. Die Kirchenferne der Ostdeutschen sei tief verwurzelt und gehöre für manchen zu seiner Identität: "Unseren Atheismus lassen wir uns nicht nehmen." Dennoch gebe es Interesse und Neugier an Kirche. Das führe aber nicht zu wirklichen Umkehr. Kritik übte Wanke an einer kirchlichkatholischen Binnenorientierung: In einer Haltung der Einigelung könne man die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht richtig wahrnehmen. "Wir stellen zu wenig unser Licht auf den Leuchter." Ein Grund dafür sei, dass die gewaltigen Umstellungen im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit auch die Kirche betroffen haben. Staat-Kirche-Verhältnis, Militärseelsorge, Verbandswesen und nicht zuletzt die Frage der Finanzen nannte Wanke als Beispiele.

Für künftiges kirchliches Handeln nannte Wanke einige Stichworte: Die Kirche müsse ihre Möglichkeiten "nüchtern durchrechnen". Dabei gehe es um die Grundsicherung des kirchlichen Lebens und um die Frage nach Schwerpunkten. Wichtig sei ihm eine "qualifizierte Präsenz": "Wir können nicht alles Wünschenswerte mache, aber wir dürfen uns auch nicht in der Sakristei verschließen." In diesem Zusammenhang sieht Wanke auch die Notwendigkeit, über Laien-Ämter nachzudenken. Gefragt sei Kirche vor allem dort, wo es um die Begleitung von Menschen geht, "die eine Sehnsucht nach gelingenden Beziehungen haben".

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