Boten zwischen Himmel und Erde
In Görlitz wird eine Ausstellung zu himmlischen Heerscharen und irdischen Helfern gezeigt
Seit dem ersten Adventswochenende zeigt das Kulturhistorische Museum Görlitz im Barockhaus Neißstraße 30 eine Sonderausstellung, die erstmals Engeln gewidmet ist. Schon im Treppenhaus des ehemaligen Kaufmannshauses wird der Besucher von einem Trompete blasenden Engel begrüßt. Mit barocker Sinnenfreude schmückte diese Figur um 1720 die Kanzel der Nikolaikirche, der ältesten Kirche der Stadt Görlitz. Nach diesem Auftakt verwandeln sich die Ausstellungsräume des Museum in einen großen Engelsreigen: Grazile gotische Engel, pausbäckige Barockengel, auf Glas und Porzellan gemalte filigrane Engelchen, romantische Druckgrafiken von Engeln mit himmlischem Blick. Dazu kommen Engel, die auf der Grenze zwischen Kunst und Kitsch balancieren.
Doch die Ausstellungsmacher haben mit Bedacht an zentraler Stelle ein spätgotisches Bildwerk christlichen Glaubens gesetzt: Die Verkündigung an Maria durch den Engel des Herrn. Ein unbekannter Holzschnitzer, vermutlich aus der Oberlausitz, schuf um 1480 dieses farblich gefasste Relief. Es war ursprünglich Teil eines gro-ßen Altaraufsatzes. Eingerahmt in ein so genanntes "Gehäuse", einer Architekturszenerie, empfängt Maria mit über Kreuz gehaltenen Händen den Engel des Herrn: "Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort," - weiß der gläubige Betrachter aus diesem Andachtsbild zu deuten. In typischer Erzählhaltung des Mittelalters wohnt Gottvater diesem Ereignis bei. Er blickt von oben auf das Heilsereignis herab. Der stattliche Engel indes wird zum Boten zwischen Gott und Maria. Dieser beeindruckende Altarflügel, der sonst im Archiv des Kulturhistorischen Museums Görlitz schlummert, ist nicht das einzige Ausstellungsstück christlicher Prägung. So verkündet ein Engel den Hirten die Geburt des Heilandes, ein Engel spendet Christus am Ölberg göttlichen Trost und ebenfalls ein Engel ist es, der den drei Marien am leeren Grab die Auferstehung Christi verkündet. Aus der biblischen Tradition heraus entstanden im Lauf der Zeit die verschiedensten Engelsdarstellungen. Die Ausstellung zeigt historische Motive aus fünf Jahrhunderten. Künstler haben in Gemälden, Skulpturen, und Grafiken Engel mit ganz verschiedener Körpersprache und unterschiedlichen Aufgaben dargestellt: Neben Engeln als himmlische Boten beleuchtet die Ausstellung rettende und wachsame Engel, liebliche und strafende Engel.
In Kooperation mit den Städtischen Museen Zittau findet fast zeitgleich zur Görlitzer Ausstellung die Sonderausstellung "O schönste aller Frauen - Lausitzer Madonnen zwischen Mystik und Reformation" im ehemaligen Zittauer Franziskanerkloster statt. Beide Ausstellungen sind sehenswerte Versuche, Menschen mit dem Gut des Glaubens unverkrampft in Berührung zu bringen. Es gelingt, ein Stück Religion in die Öffentlichkeit zu übersetzen.
Die Ausstellung ist noch bis 22. Februar dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Informationen im Internet unter www.museum-goerlitz.de
Von Thomas Backhaus