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Anstoß

Ich kann es nicht leiden

Marko Dutzschke

Zuspätkommen kann ich nicht leiden. Trotzdem bin ich immer wieder spät dran und oft genug müssen Freunde und Bekannte, mit denen ich eine Verabredung habe, lange auf mich warten. Bei einer meiner letzten Wohnungssegnungen, diesmal war ich besonders pünktlich, wurde ich ganz überrascht empfangen. So pünktlich hatte man mit mir nicht gerechnet. Die Jugend kommt heute doch immer etwas später. Als würde es inzwischen zum guten Ton gehören, andere warten zu lassen. So ein Quatsch! Im Sprichwort heißt es schließlich: Pünktlichkeit ist eine Zier - also etwas, das den Menschen schmückt, ihn auszeichnet.

Aber das Sprichwort geht ja noch weiter. Pünktlichkeit ist zwar eine Zierde für den Menschen, "doch weiter kommt man ohne ihr". Ist es heute etwa schon altmodisch, pünktlich zu sein? Schließlich kommen die Unpünktlichen weiter.

Warum bin ich eigentlich oft so spät dran? Es sind im Grunde immer dieselben Antworten: Ich wurde am Telefon aufgehalten oder auf der Straße war kein Parkplatz zu finden, ich musste im Supermarkt an der Kasse warten oder es hat irgendwo länger gedauert. Ich könnte aber auch ehrlich zugeben, dass ich mir zu viel vorgenommen habe. Dann wird die Zeit knapp und andere müssen warten. Natürlich kommt man weiter, wenn man es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nimmt. Man kommt weiter auf Kosten anderer. Alles unter dem Motto: Willst du etwas gelten, lass die Leute ein bisschen auf dich warten.

Im Evangelium gibt es einen Mann, der Jesus warten lassen möchte (Lukas 9,57-62). Auf die Einladung zur Nachfolge antwortet dieser Mann: "Ich will dir nachfolgen. Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen." Er hat gute Gründe, den Herrn warten zu lassen. Aber Jesus lässt sich nicht darauf ein. Entweder jetzt oder nie. Es gibt den richtigen Zeitpunkt und später ist zu spät.

Mit einem sehnsüchtigen Blick auf andere Länder bemerken wir manchmal, wie herrlich entspannt es dort ist. Komme ich heute nicht, komme ich morgen. Haben wir Deutschen etwa ein Problem mit unserer eigenen Pünktlichkeit? Vielleicht ist man in anderen Ländern einfach nicht so schnell mit festen Terminen. Es macht einen Unterschied, ob ich mich für 14.45 Uhr verabrede oder sage, dass ich mal vorbeikommen möchte. Es geht gar nicht darum, mich zum Sklaven meiner Uhr zu machen. Vielleicht müssen wir lernen, unsere Zeit weniger fest einzuteilen. Es geht darum, auch andere nicht zum Sklaven meiner Uhr zu machen. Was das mit Pünktlichkeit zu tun hat, verstehen wir am besten, wenn jemand auf unsere Kosten weiterkommt, weil er uns stehen lässt. Darum kann ich nicht leiden, zu spät zu kommen.

Kaplan Marko Dutzschke, Cottbus

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