Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

99 Jahre von Gott geführt

Die ehemalige Cottbuser Seelsorgehelferin Charlotte Fiedler lebt seit 1974 in Paderborn

Paderborn. Charlotte Fiedler war viele Jahre lang als Seelsorgehelferin Cottbus tätig. Am 10. Februar wird sie 99 Jahre alt.

Charlotte Fiedler ist ausgebildete Lehrerin Fast 30 Jahre arbeitete sie dann aber als Seelsorgehelferin in Cottbus.

Charlotte Fiedler spricht sehr einfach und ohne großes Aufheben über ihr Leben. 1911 wurde sie in Breslau geboren und entschied sich schon sehr früh für ein geistliches Leben, dafür, ihren Alltag Gott zu weihen.

Missionarin wäre sie gerne geworden, machte als junges Mädchen bei den Steyler Missionsschwestern in Wien eine Lehrerin- Ausbildung. Doch dann schien dem Orden die Gesundheit des zarten Mädchens zu schwach. Sie wurde nicht aufgenommen. Ironie des Schicksals: Am 10. Februar wird Charlotte Fiedler 99 Jahre alt, obwohl ihr zeitlebens ihr krankes Herz zu schaffen machte, ihre gebrechliche körperliche Konstitution sie plagte. Daran, dass Gott sie in all diesen Jahren immer geführt hat, glaubt sie fest. Jetzt hat sie an ihren Gott noch einen großen Wunsch: "Herrgott, du darfst mich ruhig zu dir holen. Aber so lange ich noch da bin, lasse mir jeden Tag die heilige Messe!"

Seinerzeit hatten die Ordensoberen die junge Charlotte wieder zu ihren Eltern nach Breslau zurückgeschickt. Die dortigen Behörden hätten sie nur in den Schuldienst übernommen, wenn sie zuvor ein Umschulungslager besucht hätte. Dort wäre ihr Alltag nicht mehr geistlich, sondern von der Nazi-Ideologie geprägt gewesen. Sie lehnte ab, nahm in Breslau einen Bürojob an, wurde auch dort von den Nazis wieder verdrängt. Sie, die ausgebildete Lehrerin für Steno und Schreibmaschine, fand eine neue Stelle im Gesundheitsamt der Stadt Salzwedel.

Noch mehrmals musste sie die Stelle wechseln, weil ihre konsequente Glaubenspraxis Anstoß erregte. Doch bevor sie sich auf eine neue Stelle bewarb, erkundigte sie sich erst genau, ob sie dort auch jeden Morgen die heilige Messe würde besuchen können. Seit 1939 in Cottbus, unterrichtete sie dort schließlich in der Berufsschule, weil viele männliche Lehrer zur Wehrmacht eingezogen waren.

Als nach 1945 die große Vertriebenenwelle in Cottbus ankam, bat der Pfarrer Charlotte Fiedler um Hilfe. Ob sie nicht ihre Landsleute religiös betreuen und in den vielen zur Pfarrei Cottbus gehörenden Dörfern für Gottesdienst und Kinderkatechese sorgen würde. Geld konnte ihr die Kirche allerdings keines zahlen. Also verdiente sich Charlotte Fiedler an zwei Tagen in der Woche ihren Lebensunterhalt mit Privatunterricht und arbeitete die restliche Zeit ehrenamtlich für die Kirche. Bis schließlich der Pfarrer ab 1947 durchsetzte, dass sie als Vollzeit-Seelsorgehelferin angestellt wurde.

Bei Wind und Wetter war sie nun jeden Tag manchmal bis zu 40 Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs, später mit dem vom Bonifatiuswerk gestifteten Moped. Einmal, erinnert sich Charlotte Fiedler, landete sie auch mit dem Kaplan bei eisglatter Fahrbahn im Straßengraben.

Ihre Gesundheit litt. Charlotte Fiedler erinnert sich, wie sie sich oft zu schwach fühlte, um ihre Aktentasche zu halten. Dann kamen ihr die Kinder zur Bushaltestelle entgegengelaufen und trugen ihrer Katechetin die Tasche.

Mit 48 Jahren wollten sie die Ärzte in Rente schicken; doch sie arbeitete weiter. Und nachdem sie schließlich mit 62 Jahren in Ruhestand gegangen war, reiste sie nach Westdeutschland aus, wo ihr das Bonifatiuswerk eine neue Heimat in Paderborn vermittelte. Auch hier versammelte sie weiter Kinder um ihren ausgezogenen Wohnzimmertisch, erteilte Erstkommunion- und Beichtunterricht, gab russlanddeutschen Kindern Nachhilfe; solange es ihre Gesundheit zuließ. Doch jetzt, mit 99 Jahren, begnügt sie sich damit, für die Pfarrgemeinde zu beten.

Von Richard Schleyer

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps