Chatten mit dem Kaplan
Wie junge Priester moderne Kommunikationsmittel für die Seelsorge nutzen
Erfurt. Priester sollten sich in der Seelsorge verstärkt moderner Kommunikationsmittel bedienen, heißt es in einem jüngst veröffentlichten Aufruf von Papst Benedikt XVI. Der Tag des Herrn hat junge Priester aus dem Bistum Erfurt nach ihren bisherigen Erfahrungen gefragt.
Chatten, skypen, simsen und twittern - Während manch älterer Kollege schon bei den Begriffen kapituliert, gehört all dies für Kapläne und junge Pfarrer im Bistum Erfurt zunehmend zum Berufsalltag. In welcher Form und Intensität man moderne Technik nutzt, scheint vor allem von persönlichen Vorlieben abzuhängen. Besonders beliebt bei den jungen Seelsorgern im Bistum sind Internet- Kommunikationsplattformen wie meinvz, studi- und schülervz.
"Ich finde es wichtig, dort als Kirche präsent zu sein, denn das ist nun einmal die Lebenswelt der Jugendlichen", sagt der Dingelstädter Kaplan Steffen Riechelmann. "Über Plakataushänge erreiche ich die Jugendlichen heute nicht mehr, wenn ich für eine Veranstaltung werben will", sagt sein Leinefelder Kollege Markus Könen. Nachrichten, die auf einer der genannten Plattformen stehen, hätten deutlich mehr Erfolg. In den dort angesiedelten "Plauderkästen" führt Kaplan Könen, anders als gemeinhin üblich, nicht nur oberflächlichen Small-talk- Schriftverkehr, sondern durchaus auch seelsorgliche Gespräche. "Die Hemmschwelle dafür scheint geringer zu sein, als wenn man sich in die Augen sehen muss - ein bisschen wie früher im Beichtstuhl", vermutet der 38-Jährige.
Steffen Riechelmann nutzt die Internet-Plattformen, um Infos weiterzugeben und bestehende Kontakte nicht abreißen zu lassen - mehr aber auch nicht. Die persönliche Begegnung können die Medien-Netzwerke nicht ersetzen, betont er. Er hält nicht nur mit katholischen Jugendlichen aus dem Dekanat Verbindung über das Internet, sondern auch mit einer Reihe von Nichtchristen. "Viele sind erstaunt und freuen sich, auch den Kaplan bei meinvz zu finden. Mir scheint, für das Image der Kirche ist diese Art von Präsenz nicht schlecht."
Der neue Bistumsjugendseelsorger Timo Gothe nutzt gern die Internetplattform die-seb-seite. de, die Stammgäste des Jugendhauses St. Sebastian eigenständig betreiben. Nicht selten finden dort - zum Teil heftige - Diskussionen über Fragen statt, die junge Christen bewegen. Anlass für engagierte kontroverse Kommunikation sei zum Beispiel eine traditionelle Messe gewesen, die der Erfurter Weihbischof gefeiert hat.
SMS an den Kaplan, wenn die Freundin Schluss macht
Ein Seelsorger habe die Internetplattformen einmal als "moderne Form des Hausbesuchs" bezeichnet - eine Interpretation, die Timo Gothe zu weit geht. "Ich würde allenfalls sagen, dass man dort klingelt. Und dann zeigt sich, ob man hereingebeten wird oder ob man weitergeht ..." Der Diedorfer Pfarrer Egon Bierschenk stellt seit über drei Jahren jeden Morgen einen Bibelspruch als Kurznachricht von maximal 140 Zeichen in einer Internetplattform ein - und ist selbst erstaunt über die zahlreichen positiven Reaktionen, besonders von Leuten, die er von früheren Wirkungsstätten her kennt. Wenn er es einmal versäumt hat, lässt die Erinnerung "Wo bleibt der Bibelspruch?" nie lange auf sich warten.
Technisch immer am Puls der Zeit ist der Jenaer Kaplan Stefan Götting, unter anderem mit Zugang für das Video-Kommunikationssystem Skype und einer Flatrate, mit der er ohne Zusatzgebühren in allen Handy-Netzen telefonieren kann. Seine Religionsschüler freuen sich, dass man ihm die liegen gebliebenen Hausaufgaben in allen Dateiformaten zumailen kann. Er selbst schätzt besonders die Möglichkeit, den Jugendlichen seiner Gemeinde dann nahe sein zu können, wenn sie ihn am nötigsten brauchen - etwa, wenn die Freundin soeben Schluss gemacht hat.
Dabei nutzt er die modernen Kommunikationsmittel nicht nur für den Umgang mit jungen Menschen. Eine Rentnerin aus einer früheren Gemeinde beispielsweise hält ihn fast täglich per SMS über das Gemeindeleben auf dem Laufenden. Anders als die meisten anderen Kapläne nutzt er die Plattformen studi- und schülervz bewusst nicht. "Jugendliche brauchen Freiräume, in denen sie unter sich sein können, ohne das Gefühl, ständig von den Erwachsenen kontrolliert zu werden", begründet er diese Entscheidung.
Umgangsformen auch per Handy und Internet
Der Umgang mit moderner Kommunikationstechnik erfordert Begrenzung und Selbstdisziplin, darin ist sich Stefan Götting mit all seinen Priesterkollegen einig. Wichtig ist es ihnen beispielsweise, Zeiten einzuhalten, in denen sie nicht erreichbar sind. Und auch den Jugendlichen schärfen sie ein: "Handy, Internet etc. sind hilfreich, aber macht euch nicht davon abhängig!" Kaplan Götting legt auch bei Kurznachrichten Wert auf Umgangsformen. Er scheut sich deshalb nicht, jungen Leuten deutlich zu machen: "Von der Seite anquatschen lass ich mich auch übers Handy nicht." Das Internet ist nicht dafür geeignet, mal eben Luft abzulassen, sagt er den Jugendlichen, denn "was dort einmal geschrieben ist, bleibt geschrieben".
Von Dorothee Wanzek