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Komet oder Dauerbrenner?

Bei der ersten Ideenwerkstatt für kirchliche Ehrenamtliche blieben viele Fragen offen

Erfurt. Mit vielen offenen Fragen gingen die Teilnehmer der ersten Erfurter Ideenwerkstatt zur Zukunft des kirchlichen Ehrenamts nach Hause. Ins neu gegründet Ehrenamtskolleg waren dazu Christen eingeladen, die sich freiwillig in Gemeinde, Bildungsarbeit und Caritas engagieren.

"Welche Aufgaben können Ehrenamtliche künftig in der Kirche übernehmen? Wie können sie dazu beitragen, dass die Gemeinden im strukturellen Wandel ihre Strahlkraft behalten und welche Unterstützung brauchen sie, um diese Aufgabe erfüllen zu können? Alois Wolf, der bei der Erfurter Bistumscaritas für das karitative Engagement der Gemeinden verantwortlich ist, warf diese Fragen am 3. Februar zum Auftakt der ersten Ideenwerkstatt im Ehrenamtskolleg des Bistums in den Raum. Bei den angereisten Ehrenamtlichen aus Erfurt, Hildburghausen und Jena löste er damit angeregte Gespräche aus. Zufriedenstellende Antworten fanden die Angereisten allerdings kaum.

Ehrenamt findet neues Profil nicht ohne das Hauptamt

"Wir wissen gar nicht genau, was wir überhaupt tun dürfen", war von den ehrenamtlichen Teilnehmern der Gesprächsrunde immer wieder zu hören. Ihre Unsicherheit rührte zum einen aus den noch nicht absehbaren Konsequenzen der angekündigten Strukturreform im Bistum Erfurt, zum anderen aus bisherigen Erfahrungen, die sie in der Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen in der Kirche gemacht haben. Diese fürchteten oftmals um ihre eigene Existenzberechtigung, mutmaßten die Ehrenamtlichen. Folge sei, dass sie in einer Reihe von Aufgabengebieten solange niemanden zum Zuge kommen ließen, bis ihnen die Arbeit selbst über den Kopf wachse.

Seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beschreiben Gesellschaftswissenschaftler einen Trend zum "neuen Ehrenamt": Menschen scheuen in wachsendem Maße dauerhafte Verpfl ichtungen und unklar abgrenzbare Aufgabenfelder. Die Experten empfehlen deshalb, potenzielle freiwillige Helfer verstärkt für zeitlich absehbare und exakt umschriebene Aufgaben zu motivieren. Die Scheu vor Dauer- Engagements lässt sich offenbar auch in den Pfarrgemeinden des Bistums Erfurt beobachten. In den Gesprächen der Ideenwerkstatt erschien das "neue Ehrenamt" jedoch weniger als positive Herausforderung denn als Stein des Anstoßes: Gemeindemitglieder, die sich ausschließlich in zeitlich begrenzten Projekten wie der Sternsinger-Aktion, der Erstkommunionvorbereitung oder der Religiösen Kinderwochen engagieren, werden als "Rosinenpicker" betrachtet. Bei denen, die sich - beispielsweise in der Ministrantenarbeit - seit Jahren darum mühen, Kinder dauerhaft anzubinden und bei der Stange zu halten, löst das kometenartige Erscheinen der projektbezogenen Helfer zuweilen mehr Frust und Wehmut als Freude aus.

Ohne das "alte" Ehrenamt geht es in den Gemeinden nicht, waren die Teilnehmer der Ideenwerkstatt überzeugt. "In jeder Gemeinschaft müssen auch die Aufgaben erledigt werden, die keinen Spaß machen", formulierte ein langjähriges Pfarrgemeinderatsmitglied. "Ich fände es sehr bedauerlich, wenn unsere Kinder Verbindlichkeit und Beständigkeit nicht mehr lernen würden." Bei der Frage, wie sich dieser Wunsch verwirklichen lässt und wie man ehrenamtlich Engagierte dazu bewegen kann, für ihr Einsatzgebiet Kirche die gleiche Arbeitsintensität an den Tag zu legen wie für Aktivitäten in der Kommune oder in Vereinen, überwog im Ehrenamtskolleg allerdings Ratlosigkeit.

Kleine Lichtblicke und große Bestandsaufnahme

Dennoch wusste jeder der Teilnehmer aus Gemeinde und Caritas auch von hoffnungsvollen Erfahrungen zu berichten. Anerkennend äußerten sich mehrere über die Qualität der Aus- und Weiterbildung für Gottesdienstbeauftragte und liturgische Dienste im Bistum Erfurt.

In der Erfurter Domgemeinde hat sich der jährliche Ehrenamtsnachmittag bewährt, bei der alle freiwilligen Helfer die Anerkennung der ganzen Gemeinde zu spüren bekommen. In Melchendorf profi tiert die Ministrantenarbeit von dem dauerhaften Engagement einer jungen Frau, der es gelingt, die Mädchen und Jungen für den Dienst am Altar zu motivieren. Der Lorenzgemeinde gehen die jungen Helfer für die Religiöse Kinderwoche nicht aus. Sobald sich ein Kind dort zu "groß" fühlt, an der RKW teilzunehmen, wird es als "Helfer" rekrutiert. Diese Kinder, hat Gemeindereferentin Anne Rademacher beobachtet, fühlten sich wichtig, wenn sie zu altersgerechten Hilfsdiensten herangezogen werden und gewinnen so neue Freude an der RKW. Mehr Austausch mit anderen Christen, die sich in der Gemeinde engagieren, wünschte sich eine Erfurter Caritashelferin. Ein Schritt in diese Richtung war ein Nachmittag für Firmbewerber, den ihre Helfergruppe vor einiger Zeit gestaltete.

Entscheidend für die künftige Strahlkraft der Gemeinden wird es nach Einschätzung von Alois Wolf sein, wo Menschen, die den Kontakt zur Kirche suchen, Ansprechpartner fi nden, auch dort, wo keine hauptamtlichen Mitarbeiter vor Ort sind. Für vorstellbar hält er es beispielsweise, dass auch kirchliche Kindergärten und Altenheime zu Anlaufstellen werden, bei denen man anklopft wegen einer Taufe, Beerdigung oder anderen Anliegen an die Kirche. Welche Wege gangbar seien, müssten die Gemeinden vor Ort herausfi nden. Und dafür sei es sinnvoll, dass man sich - sobald die Bistums-Strukturreform klarere Konturen angenommen habe - in den Gemeinden einen Überblick verschaffe über anstehende Aufgaben und vorhandene Kräfte.

Von Dorothee Wanzek

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