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Definitionsprobleme und besorgte Bürger

Ein Vortragsabend mit verschiedenen Meinungen zum Thema Linksextremismus

Leipzig (ee). Ist Linksextremismus auf dem Vormarsch? Unter dieser Fragestellung lud das Leibnizforum in Zusammenarbeit mit der Katholischen Studentengemeinde Leipzig zum ersten Vortragsabend in diesem Jahr eine Expertin aus Dresden ein.

Dr. Susanne Kailitz

"Die gefühlte Gefahr ist groß", äußerte ein Teilnehmer am Vortragsabend des Leibnizforums zum Thema Linksextremismus. Seine Sorge richte sich gegen linksradikale Gruppierungen in deutschen Städten. Ein weiterer Teilnehmer verschaffte seinem Ärger Luft: "Ich wohne in Leipzig-Connewitz. Dort haben wir von der Zerstörungswut der Linken die Nase gestrichen voll!" Auslöser für diese Wortmeldungen war der Vortrag von Dr. Susanne Kailitz, die zum Thema Linksextremismus aus politikwissenschaftlicher Sicht sprach.

Es gäbe ihrer Beobachtung nach keine deutschlandweite linke Bewegung, die zur Besorgnis Anlass gebe, sagte Kailitz. Die Gewaltbereitschaft, die den Linksradikalen vorgeworfen werde, stimme in Einzelfällen und sei strafrechtlich härter zur verfolgen, aber dürfe nicht auf linksorientierte Gruppierungen allgemein übertragen werden.

In der Szene der Linksradikalen seien häufig 16- bis 25-jährige Jugendliche zu finden, die etwa fünf Jahre dabei blieben. Viele ihrer Aktionen seien nicht vorrangig politisch motiviert: "Oft gibt es nur flache Parolen. Das Anzünden von Autos oder Einschmeißen von Fensterscheiben gleicht oft einem unreflektierten, pubertären Chaotentum. Aufmärsche des Schwarzen Blocks, wie zum Beispiel beim G8-Gipfel, habe ich als ein einziges Krawall-Event erlebt. Da konnte ich keinen politischen Überbau erkennen", so Kailitz. Es sei daher problematisch diese Gewaltausschreitungen von vornherein mit Linksextremismus gleichzusetzen, wie es die Definition der Bundeszentrale für Verfassungsschutz tue.

Blicke man auf die deutsche Geschichte, gäbe es nur eine linksextremistische Gruppe, die über einen längeren Zeitraum agiert habe: die Rote Armee Fraktion (RAF), die sich Ende der 60er Jahre in der Zeit der Studentenunruhen bildete. Kailitz wies darauf hin, dass die RAF keine studentische Bewegung gewesen sei. Es hätte zwar viele Sympathisanten unter den Studenten gegeben, doch seien diese im Gegensatz zur RAF gewaltfrei vorgegangen.

Gerade die Zerstrittenheit in der RAF-Führungspitze sei Beispiel dafür, dass die großen Ideale der linken Bewegung, gemäß der Leitworte der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", nie der Wirklichkeit entsprachen. "Die Menschen wurden eben nicht gleich behandelt", betonte Kailitz. "Zum Beispiel Polizisten, die im Dienst des Staates handelten, galten RAF-Mitgliedern als Feinde und hätten theoretisch erschossen werden dürfen."

"Ich habe gar nichts mit der RAF zu tun", erklärte eine enttäuschte Teilnehmerin des Vortragsabends, die sich selber als linksradikal bezeichnet. In einem anschließenden Gespräch zwischen ihr und weiteren Teilnehmern wurde deutlich, dass sie das Gefühl habe, in ihrer politischen und gesellschaftlichen Überzeugung nicht ernst genommen zu werden. Unter den Gästen waren rund 15 linksgesinnte Jugendliche vertreten.

Der erste Abend des Leibnizforums in diesem Jahr ließ sein Auditorium offensichtlich unbefriedigt nach Hause ziehen. Die objektiven Beobachtungen von Dr. Susanne Kailitz zum zeitgeschichtlichen Geschehen empfanden besorgte Bürger scheinbar als Verharmlosung und linksbewegte Jugendliche als beleidigend.

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