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Wer hat Angst vorm lieben Gott?

Über die Gottesfurcht

Wer hat Angst vorm lieben Gott? Guido Erbrich aus Bautzen macht sich Gedanken über falsch verstandene Gottesfurcht.

Guido Erbrich

Unsere deutsche Sprache kennt ein paar schöne alte Namen, die vom Aussterben bedroht sind. "Fürchtegott", ist einer von ihnen. Fürchten kann ich mich vor dem Zahnarzt, weil es manchmal weh tut. Unsere Vorfahren fürchteten sich vor den Barbaren, weil sie hinterlistig und angriffslustig waren, aber warum Furcht vor Gott? Gottesfurcht, der Begriff, der hinter dem "Fürchtegott" wartet, ist ein trübes Wort, das gar nicht zu dem Gott zu passen scheint, der die Liebe ist. Im Gegenteil: Die Rede vom lieben Gott müsste doch die Furcht besiegen. Gott sei Dank wird uns heute kaum noch ein angstmachender Gott verkündet. Diejenigen, die es dennoch tun, kommen dabei meist so griesgrämig daher, dass ihre Rede vom furchterweckenden Gott mehr über den Prediger aussagt, als über Gott.

Machen wir es uns trotzdem nicht zu leicht. In der Bibel wird oft von Gottesfurcht gesprochen. Und der Satz "Fürchtet euch nicht", ist ein Standardsatz von Engeln, die ihre frohe Botschaft verkünden wollen. Ist "nicht fürchten" die Ausnahme von der Regel? Sollten wir doch wieder die Angst aus der Kiste holen, damit "Klappern und Zähneknirschen" sei ?

Bevor es so weit ist, lohnt der Blick auf das Wort "Furcht" in der Bibel. Das griechische Wort "phobos", das meist dort steht, wo "Furcht" übersetzt wird, meint zum einen Furcht als Angst und Schrecken. Zum anderen aber auch Ehrfurcht und Respekt. Und schon bekommt die Gottesfurcht einen nachvollziehbaren Klang.

Vielleicht ist die Gottesfurcht ja zu vergleichen mit der Furcht von Verliebten, die sich ihre Liebe noch nicht "geoffenbart haben". Ich erinnere mich jedenfalls noch gut an meine Angst, als ich meiner Angebeteten das erste Mal sagen wollte, dass ich sie liebe. Vor diesem Moment hatte ich einen ziemlichen "Bammel". Mein schüchternes Bekenntnis verlangte ja eine konsequente Antwort von ihr. Was, wenn sie Nein sagt, lacht oder sich gar erbost abwendet? Lauter Möglichkeiten konstruierten sich in meinem Kopf zusammen. Möglicherweise, so der vorsichtige Gedanke, könnte sie Ja sagen. Auch diese zarte Gewinnhoffung gehört zum Risiko des Bekenntnisses dazu. Es gibt viel zu gewinnen und viel zu verlieren. Alles oder nichts!

Die gedachten Antwortmöglichkeiten erzählen dabei mehr über die Ängste und Befürchtungen meiner Fantasie als über meine Geliebte.

Mit der Gottesfurcht ist es da ähnlich. Aus lauter Angst, dem lieben Gott nicht zu entsprechen, seine Liebe nicht zu bekommen, statten wir ihn mit furchteinflößenden Atttributen aus. Dabei ist Gott jemand, der - "wenn er die Liebe ist" - gar nicht anders kann, als vorbehaltlos Ja zu uns zu sagen. Wir sind es, die seine Liebe erwidern können. Dieser Gott wird nicht Nein zu uns sagen. Er wird uns nicht abweisen. Gottesfurcht als Angst zu verstehen ist dann ziemlich unbegründet. Zumindest für alle, die Gott diese bedingunglose Liebe zutrauen. Ehrfurcht ist da etwas ganz anderes, die Verbeugung des Menschen vor der großartigen Liebe Gottes, der uns keine Angst einjagen will. Und da müssen wir nicht allzu traurig sein, wenn der Name Fürchtegott ausstirbt. Nicht, weil er falsch ist, sondern weil er allzuoft falsch verstanden wird.

Guido Erbrich, Bautzen

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