Das Kreuz geht jeden an
Kreuzwegstationen von Walter Lipfert bis Palmarum in St. Josefskirche Ilmenau
Ilmenau. Kreuzwegstationen des Thüringer Künstlers Walter Lipfert sind noch bis zum Palmsonntag in der Pfarrkirche St. Josef Ilmenau zu sehen. Es sind Arbeiten, in denen sich Lipfert dem Kreuz nähert, es neu entdeckt.
"Das Thema Kreuz in der Kunst ist uralt. Aber erst wenn es einen Künstler wirklich im Innersten berührt, kann er es wirklich in seine Arbeit aufnehmen", sagt Walter Lipfert. "Dabei", so sagt der Künstler weiter, "sind es gerade das Kreuz und der Tod Jesu, die uns auf die zentralen Fragen des Lebens blicken lassen." Warum leben wir? Warum müssen wir sterben? Wieso lässt Gott das Leid und den Tod zu? Walter Lipfert formuliert eine seiner Antworten so: "Mit dem Blick auf das Kreuz schauen wir auf Jesus Christus, der am Kreuz starb und aus Gottes Allmacht neues, ewiges Leben bekam." Die Auferstehung Jesu wurde so zum Geschenk für alle Menschen.
Darum wissen, wie sich die Ohnmacht anfühlt
Für den Thüringer Künstler steht fest, dass Christen aus der Kreuzund Auferstehungserfahrung anders mit den schmerzlichen Seiten umgehen können, selbst wenn es nicht so leicht fällt. Und es waren für Lipfert, der als evangelischer Christ lebt, persönliche Leiderfahrungen um die Erkrankung seiner Frau, die ihn das Thema Kreuz aufnehmen ließen. Lipfert weiß, wie sich Ohnmacht und Machtlosigkeit anfühlen. "Als ich eine besonders traurige Phase durchlitt und nicht mehr weiterkonnte, stand da ein Stuhl. Ich griff nach ihm und habe ihn zerschlagen", erinnert sich Walter Lipfert.
Beim Betrachten der Trümmer wurde ihm schnell klar, dass der Stuhl alles verloren hatte, was ihn auszeichnete. "Die Geborgenheit, die er einmal bot, war mit einem Schlag verschwunden", betont Lipfert. Aus dieser Betrachtung heraus wurden die Stuhlteile zu den ersten Werkstoffen, die der Künstler für seinen Kreuzweg brauchte, den er zum Teil auf Büttenpapier und zum Teil auf Antikpapyrus per Hand druckte. Ein Schrank und andere Teile kamen dazu. Ähnlich wie Friedrich Press - der das Eigentliche herausschälte - ging Lipfert an seine Arbeiten heran. Die Dinge sprachen ihn an, da war ein Astloch, da eine Bohrung, alles fügten sich zu einer Aussage zusammen.
Es ist nicht einfach, sich für das Kreuz zu öffnen
Zudem griff der Künstler auf seine Erfahrungen zurück, die er auf seinen Reisen machte: In Luxemburg flüchtete er bei Gewitter in eine Kirche, wo er ein Kruzifix zeichnete, das in der Kirche hing. Und in Metz meditierte er lange vor einem Glasfenster von Marc Chagall. "Damals habe ich mein Thema Hiob aufgegriffen. Die Beschäftigung mit dem Kreuz kam später hinzu. Ich habe mich dafür erst öffnen müssen. Ein nicht einfacher Vorgang in einem so kurzen menschlichen Dasein zwischen Geburt und Tod", meint der Thüringer Künstler. Walter Lipfert: "Ich habe lange darüber nachgedacht, was beim Tod Jesu am Kreuz in Golgota passiert ist. Wie war das, als alle riefen ,Kreuzige ihn?‘."
Dietrich Gall vom Ilmenauer Pfarrgemeinderat ist dankbar, dass die Christen der Stadt die Bilder gut angenommen haben. "Es ist oft nicht leicht, moderne Kunst und die Gemeinde unter einem Hut zu bringen", sagt Gall. Aber gerade sie bietet für Walter Lipfert und Dietrich Gall eine Chance, auch mit Nichtchristen über die Themen Tod und Auferstehung ins Gespräch zu kommen.
Bischof Joachim Wanke formulierte es in seinem Brief zur Fastenzeit 2010 so: "Es geht nicht um die Verherrlichung von Kreuz und Leid. Es geht freilich gerade um diese Orte unseres Lebens, die für jeden unvermeidlich sind, weil sie einfach mit unserer Kreatürlichkeit und unserer Endlichkeit zusammenhängen. Gerade dort können wir gewiss werden, dass wir getragen und mit dem Himmel umfangen sind." "Diese Worte", so Dietrich Gall, "haben uns in unserem Kreuzwegprojekt mit getragen."
Von Holger Jakobi