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Ettal will sich neu orientieren

Weitere Konsequenzen aus dem Skandal plant das Kloster erst nach Apostolischer Visitation

Vospann

Plädierten bei der Pressekonferenz in Ettal für rückhaltlose Aufklärung: Peter Beer, Generalvikar des Erzbistums München, Pater Johannes Bauer, Sonderermittler Thomas Pfister (von rechts).

Dies gelte auch für die drei ihrer Aufgaben entbundenen Priester, die zum Kloster Wechselburg gehören, gab der Verwaltungsleiter der Abtei zur Auskunft. Der Münchner Strafverteidiger Thomas Pfister, der als externer Sonderermittler mit der Klärung der gegen das Kloster erhobenen Vorwürfe befasst ist, hatte vor Journalisten eine erschreckende Zwischenbilanz seiner bisherigen Untersuchungen gezogen. Von schweren körperlichen Misshandlungen und von sexuellem Missbrauch in den 70er und 80er Jahren war die Rede, von einer Kultur des Schweigens und Wegsehens, die das verbrecherische Tun einiger weniger (etwa zehn) Mönche erst ermöglicht hätte. Thomas Pfister las aus Briefen von Opfern vor, die sich in den vorangegangenen Tagen bei ihm gemeldet hatten.

Seit 1990 habe sich das Kloster Ettal massiv gewandelt, bescheinigte der Sonderermittler. In den vergangenen Jahren habe es seiner Erkenntnis nach nur noch vereinzelte Vorfälle gegeben. Während die Fälle der 70er und 80er Jahre mittlerweile verjährt seien und deshalb nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können, hat der Sonderermittler die jüngeren Fälle an die Staatsanwaltschaft übergeben. Das gilt auch für den Fall von Pater Georg aus Wechselburg, der am 24. Februar Auslöser für den Rücktritt von Abt Barnabas Bögle war. Der Abt hatte im Jahr 2005 den Missbrauchsverdacht gegen Pater Georg nicht an die Erzdiözese gemeldet und damit gegen die Richtlinien zum Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch verstoßen, auf die sich die Deutsche Bischofskonferenz 2002 geeinigt hatte. Stattdessen hatte er ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, das dem Beschuldigten eine bedingte Eignung für die Seelsorge bescheinigte.

Ermittlungen wegen Missbrauchs dauern an

Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich nach Auskunft des Sonderermittlers gegenwärtig mit weiteren Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen Pater Georg aus seiner Zeit als Ettaler Erzieher. Schüler, die sich vor einigen Tagen meldeten, hätten angegeben, dass diese Anschuldigungen hereits 2005 erhoben worden waren. Überprüft werde deshalb nun auch, warum sie nicht Gegenstand der damaligen Untersuchungen des Gutachters waren.

Der langjährige Wechselburger Pfarrer Pater Gabriel, dem ein einzelner Fall körperlicher Züchtigung in den 70er Jahren vorgeworfen wird, ist unterdessen nach Wechselburg zurückgekehrt. Einem Bericht der Freien Presse zufolge hat er in einem Brief, der vergangenen Sonntag vor dem Gottesdienst in Wechselburg verlesen wurde, sein Bedauern über den damaligen Ettaler Vorfall erklärt. Pater Rupert wird Thomas Pfister zufolge schwere körperliche Misshandlung in sehr vielen Fällen während der 70er und 80er Jahren vorgeworfen.

In der Pressekonferenz hat Pater Johannes Bauer sich im Namen des Klosters für das Leid entschuldigt, das Ettaler Schülern zugefügt wurde. Er kündigte an, dass die apostolische Visitation, um die das Kloster den Vatikan gebeten hat, für eine "umfassende geistliche Neuorientierung" genutzt werden solle. In mancherlei Hinsicht habe Ettal bereits aus Fehlern der Vergangenheit gelernt. Beispielsweise werde seit einigen Jahren großer Wert darauf gelegt, dass Mönche, die in der Ausbildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt würden, zuvor eine fundierte pädagogische Ausbildung erhielten.

Mit der Versetzung von Mönchen in das 1993 gegründete Kloster Wechselburg habe die Abtei Ettal die Betreffenden nicht den Folgen ihres Fehlverhaltens entziehen wollen, versicherte Pater Johannes auf Nachfrage. Dies werde unter anderem daran deutlich, dass sich die Mönche, die Wechselburg gründeten, freiwillig gemeldet hätten.

Die Dresdner Bistumsleitung will sich nach Auskunft der Pressestelle zurzeit noch nicht zu den Ermittlungsergebnissen aus Ettal und zum künftigen Einsatz der beschuldigten Mönche in der Seelsorge äußern.

Jugendseelsorger gegen voreilige Urteile

Die Wechselburger Jugendvesper, die das Kloster gemeinsam mit der Jugendseelsorge des Dekanates Chemnitz und der Bistumsjugendseelsorge veranstaltet, wird am 12. März in gewohnter Weise, allerdings ohne Pater Georg, stattfinden. In einem Brief an die Jugendlichen des Bistums weist Jugendpfarrer Ralph Kochinka darauf hin, dass es sich bei den Vorwürfen gegen die Wechselburger Patres lediglich um Verdachtsfälle handelt. Er fordert dazu auf, den Abschluss der Untersuchungen abzuwarten. Er selbst habe die drei Ordensmänner stets als vorbildliche und engagierte Seelsorger erlebt. "Für viele von euch ist Wechselburg in den vergangenen Jahren zu einem Ort geworden, an dem man sich wohl fühlen und auftanken kann", schreibt Ralph Kochinka. "Ich hoffe sehr und bete darum, dass Wechselburg auch weiterhin ein geistliches Zentrum, gerade für euch, die Jugend unseres Bistums, bleibt."

Von Dorothee Wanzek

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