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Jesus im Alltag finden

Passionsspiele 2010: Der Kreuzweg Jesu in unserer Zeit / Ein Projekt junger Christen in Erfurt

Erfurt. Das Kreuz Christi hat immer mit dem Heute zu tun. Deutlich wurde dies beim Passionsspiel der Dekanatsjugend Erfurt auf dem Domberg. Angeregt hatte das Projekt Weihbischof Reinhard Hauke. Konkret ging es um die Begegnung mit Jesus im Alltag.

Station vor dem Triangelportal des Erfurter Mariendoms: Jesus kommt mit einem Manager ins Gespräch und wendet sich mit seiner Botschaft zugleich an alle Anwesenden.

Jesus und seine Peiniger erreichen den Platz vor der Mariensäule. Die Mitgehenden bilden einen Kreis, warten auf das Geschehen. Plötzlich ein Knall, Schüsse, Rauch … Es ist die Szene sieben: "Jesus und Verfolgung und Krieg". Schmidt und Schulze sind im Krieg. Schulze macht eine Gefangene, die Soldatin Lehmann. Schmidt tritt sie, stößt sie in den Schmutz und will Lehmann von Schulze erschießen lassen. Dieser weigert sich. Schmidt schreit: "Befehl ist Befehl! Es soll keine Zeugen geben!" Doch Jesus hindert ihn daran. Schmidt versteht die Welt nicht mehr und tritt den Rückzug an. Schulze folgt ihm. Der Jesusdarsteller richtet die Soldatin Lehmann auf und wendet sich an das Publikum: "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne (und Töchter) eures Vaters im Himmel werdet … ."

Jesus begegnet Schmidt, Schulze, Lehmann im Krieg

Die Szene ist ein Teil der "Passionspiele 2010, die vom 19. bis zum 22. März auf dem Erfurter Domberg stattfanden. Beteiligt waren neben den beiden Hauptverantwortlichen, Schwester Ulrike Harnisch vom Ursulinenkloster und Jupp Kokott, junge Leute der Erfurter Dekanatsjugend sowie zahlreiche Helfer. Die Idee der Passionsspiele hatte Weihbischof Reinhard Hauke, der damit die im Mittelalter lebendige Tradition der liturgischen Spiele wiederbeleben wollte. So gab es in Erfurt Passionsspiele, die vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert aufgeführt wurden.

Doch mit der historischen Vorlage haben die neuen Passionsspiele fast nichts zu tun. Der Text ist zwar bekannt und wurde im Vorfeld gelesen, doch mit der heutigen Aufführung, so war es die Intention des Weihbischofs, sollte die österliche Botschaft aktuell und auch für Nichtchristen verständlich werden. So stellten sich die Ausführenden immer wieder die Fragen: "Wie würde Jesus uns heute auf seinem Kreuzweg begegnen?" Oder: "Wo begegnet uns Jesus in unserem konkreten Alltag?

Aus diesen Überlegungen ist das Stück entstanden und die Zuschauer wurden eingeladen, sich einzulassen und die moderne Passion mitzugehen. Begonnen wurde im Kreuzgang mit der Szene "Jesus vor Pilatus". Daran schlossen sich die Stationen "Jesus im Flüchtlingslager" und "Jesus und eine verzweifelte Frau", die von ihm gehalten und vor einer Selbsttötung bewahrt wurde, an. Besonders intensiv die Worte, die Jesus an einen Banker und damit auch an die Mitgehenden richtete. Am Traingelportal, vor der Kulisse des Domes, zitierte der Darsteller die biblischen Worte: "Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." (Mt 6.19-21)

"Das alte Kreuz? Brauchen wir nicht mehr!"

Weiter ging es über die Severiwiese mit der Station "Vergnügungssucht macht blind" in die Kirche hinein, in der an die Versuchung erinnert wurde, sich ein falsches Bild von Jesus zu machen, ihn sozusagen zurechtzustutzen. Das alte Kreuz? So einfach und aus Holz? Nein, das wollte kein Teilnehmer eines im Spiel nachgestellten christlichen Kreises mehr. "Jesus sei anders, ganz anders", ist immer wieder zu hören. Sicher blond, lange Haare und mit einem langen Bart, Ponyhaarschnitt an der Stirn. Ein Jesus mit dickem Herzen, der es jedem recht macht. Doch der Jesusdarsteller zerreißt das Bild, sichtbar wird ein Spiegel in dem die Christen Jesus erkennen. Dieser segnet jeden Einzelnen und wird von seinen Peiningern weitergeführt. Über die Kriegsszene geht es in den Dom hinein. Die Szene "Jesus wird gekreuzigt" wird nur angedeutet und orientiert sich wieder am historischen Stil in dichter Anlehnung an das Evangelium. Jesus stirbt am Kreuz, es wird stockdunkel im Dom. Schließlich die Auferstehung: Jesus geht seinen Weg mit den Menschen weiter.

Schwester Ulrike Harnisch, eine der beiden Verantwortlichen, meint, dass sich die Darsteller von Aufführung zu Aufführung gesteigert haben. "Gestern haben sie 200 Prozent gegeben. Ich bin jetzt so richtig ruhig und glücklich, wo alles so gut läuft", freut sie sich am Montagmorgen, am Tag der letzten Aufführung. Und das Publikum seinerseits dankte allen für das Geleistete. Allein, die investierte Zeit jedes Mitwirkenden ist schon eine Leistung für sich, betont Schwester Ulrike.

Von Holger Jakobi

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