Der Kampf der Steine
Hofkirche und Frauenkirche als Beispiel für den Konflikt der Konfessionen in Dresdens Geschichte
Dresden. "Konfession und Konflikt. Religiöse Pluralisierung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert" war das Thema einer Tagung, die die Katholische Akademie des Bistums Dresden mitveranstaltete. Ein Thema dabei: "Der Kampf der Steine. Die Frauenkirche und die katholische Hofkirche".
Dresden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert: Der größte Teil der Einwohner der Stadt ist protestantisch. Aber es gibt eine kleine katholische Minderheit. Zwar macht sie nur acht Prozent der Bevölkerung aus, dafür aber hat sie Einfluss. Es handelt sich vor allem um Mitglieder des sächsischen Königshofes. 1697 war August der Starke zum Katholizismus konvertiert, um König von Polen werden zu können. Allerdings verzichtete er auf die Anwendung des Prinzips "cuius region, eius religio" (wessen Gebiet, dessen Religion) in Sachsen, und die Bevölkerung blieb protestantisch. Die Folge: In der Stadt herrschte ein konfliktbeladenes Klima.
In diese Zeit fallen zwei große sakrale Bauprojekte in Dresden: die katholischen Hofkirche (heute Kathedrale) und die evangelischen Frauenkirche. "Planung und Durchführung dieser Bauten sind mit dem Konflikt zwischen den Konfessionen in Dresden eng verbunden", ist der Dresdner Historiker Dr. Ulrich Rosseaux überzeugt. Beide Bauten sind für ihn "steingewordene Manifestationen des Ranges der jeweiligen Gruppe".
Vor allem der Neubau der Frauenkirche durch George Bähr zwischen 1726 und 1743 ist für Rosseaux ohne diesen Hintergrund nicht erklärbar. Es gab einen spätmittelalterlichen Vorgängerbau, der zu klein und dringend sanierungsbedürftig war. Aber: "Wäre Dresden eine rein protestantische Stadt gewesen, hätte man die alte Frauenkirche sicher noch 80 Jahre weiter genutzt", sagt Rosseaux. So aber stürzte sich der Stadtrat in ein, vor allem finanzielles Abenteuer. "Der Neubau sollte ein an Deutlichkeit nicht mehr zu überbietendes Zeichen für das protestantische Dresden werden, die Peterskirche der wahren evangelischen Religion."
Schon die Grundsteinlegung gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Demonstration. 10 000 Einwohner (etwa ein Viertel der Bevölkerung) nahmen teil. Während der Bauzeit mühte sich die evangelische Geistlichkeit, jede Möglichkeit einer Nutzung der Kirche durch die Katholiken (etwa als Simultankirche, wie es sie schon im nahen Bautzen gab) zu verhindern. Friedrich August II. aber war klug genug, auf das Gefühlsleben seiner protestantischen Untertanen Rücksicht zu nehmen und ließ die Frauenkirche unangetastet.
"Stattdessen wertete er seine Kirche auf", sagt Rosseaux. Statt der bis dahin von der Katholiken genutzten Provisorien sollte nun eine richtige Kirche davon künden, dass die Katholiken im protestantischen Sachsen wieder Fuß gefasst hatten. Zwischen 1739 und 1751 wird die Hofkirche errichtet. Baumeister Gaetano Chiaveri orientierte sich dabei am römischen Barock und an jesuitischen Kirchbauten.
Dennoch zeigen für Rosseaux die Unterschiede beider Kirchen die unterschiedliche Stellung der beiden Konfessionen in der Stadt. Die Frauenkirche lag zentral und an einem attraktiven Ort. Die Hofkirche wurde zwar neben dem Schloss errichten, lag aber am Rande der damaligen Stadt an der Stadtmauer, "dort, wo die Armen und die Minderheiten lebten", so Rosseaux. Allerdings gelang es durch den Verzicht auf die Ostung der Hofkirche, sie zu einem markanten Punkt in der Stadtsilhouette zu machen. Auch durften die Glocken der Hofkirche erst ab 1807 läuten. Und da Gottesdienste der Katholiken nur innerhalb von Kirchen stattfinden durften, wurde in der Hofkirche auch ein Umgang für Prozessionen geschaffen. Der Verzicht auf eine große öffentliche Feier zur Weihe der Hofkirche zeigt ebenfalls die Stellung der Katholiken zu jener Zeit.
"Die religiöse Pluralisierung in Dresden setzte die Energie für zwei der bedeutendsten Kirchbauten zu jener Zeit in Europa frei", heißt Rosseaux Fazit. Doch mussten beide Konfessionen auch etwas lernen: die Protestanten, dass sich der Prozess der religiöse nPluralisierung auch durch noch so große Kirchbauten nicht umkehren oder aufhalten ließ, und die Katholiken, dass sie nicht die gleichen Rechte wie die Protestanten besaßen. Insgesamt gesehen hatte das aber für Rosseaux eine befriedende Wirkung auf das Miteinander beider Konfessionen.
Von Matthias Holluba